Das Grab der Legionen
Boten voraus. Er wird bald hier sein. Sie haben große Beute gemacht."
„Ich muß sofort zum Tor!"
„Nicht so eilig." Der andere hielt ihn am Mantel fest. „Komm lieber auf die Burg. Dorthin reitet dein Sohn sowieso, und man kann da auch gut Ausschau halten."
Mit einer Eile, die schlecht zu dem schmerzenden Bein paßte, begab sich der Punier in sein Haus, verwahrte das neue Schwert und holte Eladu alsbald ein, der gemächlich weiterspaziert war.
„Er hat etwas für Überraschungen übrig und wollte nicht sagen, was er mitbringt", lächelte er. „Ganz wie du."
„Er macht seinem Namen Ehre. Vergiß nicht, ein Maharbal war Hannibals bester Reitergeneral!"
„Ich weiß”, sagte der Iberer.
Inzwischen hatten die beiden die Burg erreicht. Nirgendwo stand eine Wache. Im Hof übten Krieger das Fechten. Daß im Sommer der Krieg aufs Neue und vermutlich viel blutiger entbrennen würde, war jedem Numantiner klar - einige Alte ausgenommen.
Die vielen Stufen zur Brüstung der Südbastion fielen Bomilkar sichtlich schwer. Allerdings schwieg er dazu, aber sein Begleiter hätte blind und taub sein müssen, wenn ihm das entgangen wäre. Er verlangsamte die Schritte.
Litennon saß oben und schaute bereits ins öde Land hinaus. Der Wind zerrte an seinem dicken schwarzen Umhang und ließ die Haare unter dem Erzhelm flattern. „Ihr seid es? Ich dachte mir das. - Da, die Reiter! Dein Sohn ist dabei."
Jedem Landesfremden fiel es schwer, sich im eintönigen Gewirr der Hügel zu orientieren. Der jetzt seichte Duro wurde von fast ausgetrockneten Nebenflüssen gespeist, und alles sah grau aus, von einem Horizont bis zum anderen, wo ferne Bergketten im Dunst schwammen.
Die Schar näherte sich von Südwest und kam am Ufer des Stroms entlang. Für ermüdete Reiter war das der bequemste und auch sicherste Weg. Andere Pfade führten ständig bergauf und bergab, und auch Einheimische mußten aufpassen, damit sie sich im Chaos gleichaussehender Schluchten und Täler nicht verirrten. Nicht selten hatten Römer dort die Orientierung verloren und waren den Arevaken halb verhungert in die Hände gefallen. - Der Duro wies die Richtung, dem Freund wie dem Feind. Selbstverständlich wurde dieser Weg aufmerksam bewacht. Niemand konnte unbemerkt nahen.
Noch verdeckten die Bäume am Fluß den Blick, so daß Bomilkar nicht zu zählen vermochte, ob jemand fehlte. Doch in diesen blutigen Zeiten gab es bei jedem Streifzug Tote. „Erstaunlich, wieviel Rom an dieser Wüstenei liegt. Man sollte meinen, sie wäre keinen Denar wert", murmelte er plötzlich.
Ein Rundblick belehrte jedermann über die Wahrheit der Worte. Hier und da zeugten Reste römischer Kriegslager von den vergeblichen Versuchen der Legionen, Numantia zu erobern. Im Norden zumal breitete sich als ein beachtliches Ruinenfeld das ehemalige Standquartier des Konsuls Nobilior aus. Über zehn Jahre waren seit dessen gescheiterten Angriffen vergangen.
Niemand hätte Numantia überrumpeln können. Die Stadt lag auf einem Berg, von weiten Senken umgeben. Im Westen und Süden fielen die Hänge zum Duro und zu einem kleinen Nebenfluß ab, wie auch im Norden waren sie viel zu steil für Angreifer. Wer die Arevaken besiegen wollte, mußte es von Osten her versuchen. Bislang jedoch waren die Legionen stets unter hohen Verlusten zurückgewichen.
„Am Land liegt ihnen gar nichts", erwiderte Litennons Ratgeber nach einer langen Pause. „Jedenfalls nicht so viel, daß sie ihr Heer seit Jahren verschleißen. Frei sind wir jedoch eine Speerspitze in ihrem Fleisch. Jeder kann zu uns fliehen und mit uns gegen sie kämpfen. Wenn es sich machen ließe, würden sie die Grenze mit Wall und Graben absichern."
Bomilkar nickte stumm. Wozu über längst Bekanntes reden?
Die Reiter hatten sie gesehen und schwenkten die Speere zum Gruß.
„Netos sei Dank. Sie sind zurück. Es wäre schlimm, wenn viele fehlten. Im Ältestenrat murrt man ohnehin…", sagte Litennon. Sein Schwiegersohn seufzte. Was stritt er mit den Graubärten! Sie wollten den Krieg beenden, sei es auch durch die Aufgabe alter Ansprüche auf Minendo und andere Dörfer nahe der Wasserscheide zum Jalu. Zuweilen wünschte er, den Ältestenrat kurzerhand abzusetzen. Eine Herrschaft der Kriegskundigen...
„Gehen wir! Sie brauchen sowieso noch einige Zeit." Eladu packte Bomilkar freundschaftlich beim Arm. Durch den Nebenfluß führte eine Furt, dann ging es unterhalb des Steilhangs und an der Vorstadt Saledilla vorbei bis zu der Stelle, wo
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