Das Grab der Legionen
daß Rega ihn keinesfalls begleiten würde...
„Du bist unschlüssig, man sieht es.” Der Alte tat harmlos. Er begriff, daß die Entscheidung längst gefallen war. Und wenn er sich einen derart ungewöhnlichen Schwiegersohn auch nicht eben gewünscht hatte, Rega hielt den Zügel in den Händen. „Offen gesprochen, Titus: Ich wünschte, du bliebest freiwillig bei uns. Aber ich darf dir nicht einmal zureden; der Ältestenrat würde mich tadeln. Es ist ja dein Entschluß. Meine Meinung kennst du nun."
Der Römer antwortete nicht.
„Hat meine Tochter mit dir darüber gesprochen?"
Titus wurde rot. „Ob sie...? Ich weiß selbst nicht..."
„Soso. Zugegeben, mir sagte sie auch nichts. Dennoch weiß ich manches." Jetzt erst schaute er dem Jüngeren ins Gesicht. „Ich bin kein Römer und möchte um keinen Preis einer sein. Was ich von deiner Vaterstadt halte, weißt du selbst. Dennoch verstehe ich dich. Dahin nicht und dorthin nicht wollen - ist eine schlimme Sache. Gerade darum ist es schwer, dir einen guten Rat zu geben. - Rede noch einmal mit meiner Tochter", fügte er schmunzelnd hinzu. „Auf euch beide wird es ankommen, oder ich kenne die Welt nicht mehr. Du brauchst nicht solch ein verlegenes Gesicht zu machen; noch einmal, du bist uns ein lieber Bruder und Sohn, falls du willst. Ich würde dich als Schwiegersohn begrüßen. Mir ist der recht, der Rega gefällt - solange er zu uns steht."
Titus blieb Senkin die Antwort schuldig. Noch vor ein paar Wochen hatte es ihn gedrängt, rasch nach Tarraco zurückzukehren, um Rache für den Tod seines Vaters zu nehmen. Viel war seither geschehen, und manches sah er heute in einem anderen Licht. Würde er, der einzelne, gegen Scipios Handlanger etwas ausrichten können? Selbst wenn - was nützte es, einen armseligen Mörder zu fassen, der zweifelsohne, aber unbeweisbar von Scipio angestiftet worden war? Wieder dachte er an Rega. Er würde sie dann kaum wiedersehen - ein hoher Preis. Zu hoch.
Senkin wandte sich zur Tür. „Ich werde Rega suchen. Wenn du mitkommen willst...?" In Wirklichkeit wußte er genau, wo sich das Mädchen aufhielt. Von einer Suche konnte keine Rede sein. Daher verwunderte es nur den Centurio, daß sie das Mädchen sofort entdeckten.
Rega saß im Wohnraum über einen Fellmantel gebeugt. Mit einer Knochennadel erwies sich die Reparatur der aufgeplatzten Naht als keineswegs einfach. Mit Grauen erinnerte sich Titus, welcher Mühe es bedurft hatte, daß seine Uniform stets tadellos aussah. Nicht immer hatte sich ein Legionär gefunden, der das an seiner Statt für ein paar Münzen besorgte.
„Ach, du...?" Das Mädchen errötete leicht. „Ich dachte..." Auch der zweite Satz blieb unbeendet.
Senkin kannte seine Tochter. An Verlegenheit litt sie nur aus sehr triftigen Gründen. „Ich muß noch zu den Ställen. Schließlich braucht Titus ein Pferd... für den Fall, ihr wißt schon", sagte er und entfernte sich, überzeugt, daß seine Anwesenheit entbehrlich war.
Die Zurückgelassenen schauten sich unsicher an. Zunächst fiel für eine lange Zeit kein Wort.
„Nun denn, dein Vater... Ich könnte jetzt gehen... Ich meine, er ließ mich frei..."
Sie blickte ihn stumm an.
„Und da... Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll... Ich würde dich ungern verlassen, Rega..."
„Auch ich sähe dich ungern davonziehen. Aber wenn du gehen willst - wie könnte ich dich halten?"
Ihr Erröten ließ den Centurio leichter atmen. „Ich will nicht einfach gehen, weißt du... Versteh mich, ich meine..." Was er meinte, blieb unausgesprochen.
Rega hatte ihn längst verstanden. Nun aber übernahm sie die Initiative. „Es schickt sich nicht, Titus, wenn ich nun sage, was du sagen solltest. Einmal schon fragte ich dich: Willst du bei mir bleiben? Damals hast du mich geküßt und geschwiegen. Wie ist deine Antwort heute? Ein drittes Mal werde ich dich nicht auffordern. - Mein Ja haben die Götter gehört. Was erwiderst du ihnen?"
Unsicher faßte Flaccus nach ihrer Hand. „Du meinst wirklich, daß ich... hierbleiben soll?"
„Ja, bleib bei mir!" sprach das Mädchen betont langsam aus. Nur zu deutlich erkannte sie die Erleichterung in seinen Augen, daß nicht er die Entscheidung getroffen hatte.
„Ich glaube, du hast recht", brachte Flaccus heiser hervor.
„Ich habe recht, du Held. Komm, wir gehen zu Netos' Diener, daß alles seine Ordnung hat. Auch mein Vater wird sicher warten!"
„Was...? Er wußte das?"
„Gewußt hat er es wohl nicht - geahnt, denke
Weitere Kostenlose Bücher