Das Grab der Legionen
Unkundiger würde sich hier verirren, da ein Hügel dem anderen zum Verwechseln ähnelte. Doch sie alle schlichen nicht zum ersten Mal durch die Landschaft und kannten die untrüglichen Geländemerkmale.
Keri hielt die Spitze. Müde und ausgelaugt fühlte er sich. Es war Zeit, nach Hause zu kommen. Sie hasteten umher, wichen den römischen Centurien aus, überfielen einzelne Gruppen und Posten. Wenn den Feinden die Nächte gestört wurden, ihnen erging es nicht anders. Die meisten in der Gruppe waren mehr oder minder verletzt. Einige hatten in fremder Erde ihre letzte Reise angetreten. Ob die Geister ihnen gnädig sein würden? Die Totenopfer waren reichlich gewesen, trotzdem... Fanden die Seelen wirklich den langen Weg zurück? Der Heilige Mann war daheimgeblieben, er wußte die besten Sprüche.
Hätte Keri gehört, daß die Römer ihn und die anderen streifenden Arevaken „Geister des Jalus" nannten, es würde ihn gefreut, aber nicht verwundert haben. Zu diesem Ziel waren sie ausgeritten, hatten erneut hundert und mehr Feinde getötet. Der Jalu gehörte ihnen und nicht den Fremden.
Sie zogen einen Hohlweg entlang und erreichten einen Bach, der dem Jalu zufloß. Jetzt war es nicht mehr weit. Wenngleich niemand daran glaubte, auch hier konnten Römer lauern. Doch die Legionäre fürchteten sich, nach Sonnenuntergang die befestigten Lager zu verlassen. Allzu viele waren von solchen Ausflügen nicht mehr zurückgekehrt.
Keri winkte einem Krieger und mäßigte das Tempo. Die Pferde mußten sowieso verschnaufen. Der junge Iberer galoppierte voraus und würde den Weg bis zum Fluß erkunden.
Unterdessen prüften die Männer noch einmal, ob alle Lasten richtig lagen. Schwere Säcke mit Waffen, erbeutetem Schmuck und römischem Geld waren an den Sätteln festgebunden. Der geplante Angriff auf Ocilis und ein weiterer zwei Tage danach auf ein Landgut sollten diesmal die letzten Unternehmungen sein. Dumm wäre es, bei einem weiteren Überfall die Schar noch mehr zu schwächen.
Für das Geld werden wir bei reisenden Händlern dies und das bekommen. Der Schleicher Eladu soll es nicht kriegen, was er uns auch bietet. Wir kaufen selbst! Noch schöner wäre ja... Keri malte sich aus, wie seine Krieger und er durch das ferne Tarraco spazierten und für die Mädchen Geschenke erstanden. Rega würde sich freuen. Damals der Ring... Freilich störte ihn, daß er sich die Stadt kaum vorstellen konnte. Wie Malega? Termantia? Numantia? Etwas anderes kannte er nicht.
Ein Eulenschrei erklang. Jeder der Arevaken wußte Bescheid. Ohne unnötige Worte wurden die Pferde angetrieben. Aus den Büschen an der Bachmündung gesellte sich der Späher wieder zu der Schar.
Wie die meisten Flüsse zu dieser Jahreszeit war der Jalu seicht geworden. Der ausgefahrene Weg verlief am anderen Ufer. Tags herrschte dort Verkehr: Wagen mit hundert Dingen für die allerorts stationierten Legionäre, patrouillierende Reiterabteilungen, Truppen, die verlagert wurden. Nachts blieb alles ruhig. Seit Minendo in iberische Hand gefallen war, galt die Gegend als vorderste Linie. Die Römer vermieden es, hier im Dunkeln zu reisen.
Ein Prasseln ließ alle zusammenzucken-. Scharfe Augen betrachteten den Hang. Aus dem Karst hatten sich Steine gelöst und rollten herab. Zufall? Mehrere Iberer stürmten kampfbereit zu der Stelle. Doch ihre Suche blieb ergebnislos. Höchstwahrscheinlich hatte ein wildes Tier den Lärm verursacht. Welcher Legionär hätte sich zu dieser Stunde allein ins Hochland gewagt?
Als einer der ersten trieb Keri das Pferd in den Fluß. Ohne Schwierigkeiten, ja, ohne naß zu werden, erreichte die Streifschar das gegenüberliegende Ufer.
Ein Späher sprang ab und untersuchte den Boden, doch da ließ sich wenig ausdeuten. Bei dieser Dunkelheit waren der ausgedörrte Lehm und die zerfahrenen Spuren nur schwer zu erkennen.
Keri setzte seinen Hengst wieder an die Spitze des Zuges. Bis Ocilis war es nun nicht mehr weit, aber sie durften natürlich nicht auf der Straße vor die Tore der Stadt reiten.
Ein auffallend geformter, überhängender Felsen tauchte aus dem Dunkel auf. Die Iberer verließen den Fahrweg und drangen in das Gewirr der Schluchten, Hänge und Hochebenen ein. Zwei kundige Späher blieben zurück, um die Spuren zu verwischen. Iberischen Augen würden die Hufabdrücke auch dann noch sichtbar sein, doch die Römer verstanden nichts vom Kundschaften. Meist mieteten sie Verräter. Die konnten allerdings herausfinden, wohin die Schar
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