Das Grab des Ghouls
kann.«
»Ich werde dem Grab einen Besuch abstatten, Mrs. Carter, das verspreche ich Ihnen.«
»Nicht nur Sie. ich will mit.«
»Aber...«
»Sie können mich nicht zurückhalten. Ich habe es mir vorgenommen. Ich werde es durchziehen.« Sie kümmerte sich nicht darum, ob ich einverstanden war oder nicht, und sagte nur: »Kommen Sie mit, Mr. Sinclair. Ich zeige Ihnen den Weg.«
Ich hatte gedacht, dass sie sich umdrehen würde, aber Rosali Carter ging direkt auf mich zu. Sie ahnte, welche Frage ich ihr stellen wollte, und gab die Antwort im Voraus.
»Dieser Stollen hier führt ans Ziel, Mr. Sinclair. Es ist eine Abkürzung.«
»Und wo genau kommen wir raus?«
»Am Grabstein.«
Ich musste mitgehen, aber ich dachte auch an Bill Conolly. Von ihm hatte ich bisher nichts gesehen. Ich wusste nicht mal, ob er diesen Bereich hier erreicht hatte. Und wenn, dann war er auf Desmond Wayne getroffen, der ihn hoffentlich nicht getötet und seine Leiche irgendwo versteckt hatte.
Rosali Carter wollte ich nicht fragen, und so folgte ich ihr in die Tiefe des Stollens...
***
Noch immer waren der Schwindel und die leichte Übelkeit nicht völlig verschwunden, aber der Reporter Bill Conolly fühlte sich wieder so weit okay, dass er seine Umgebung wahrnahm und auch feststellen konnte, was mit ihm passiert war.
Er war niedergeschlagen worden. Blackout. Was in dieser Zeit mit ihm geschehen war, wusste er nicht. Erwacht war er an einem anderen Ort. Nicht mehr unter der Erde, sondern im Freien. Und er konnte sich nicht mehr bewegen, denn er war gefesselt. Um ihn herum herrschte Nacht, wobei das Mondlicht genügend Helligkeit abstrahlte, damit er auch seine Umgebung erkannte.
Links von ihm erhob sich der alte Stein, der zum Grab des Ghouls gehörte. An seiner rechten Seite war er mit einem alten Stangengitter verbunden. Rostige Stäbe, an den oberen Enden spitz wie Lanzen, bildeten dieses Hindernis, und in der unteren Hälfte war Bill an zwei dieser Stäbe gefesselt worden. Man hatte die Stricke um seine Handgelenke und um das Eisen gebunden. Er hatte versucht, sich davon zu befreien, es war ihm nicht gelungen. Da hätte er schon die Stangen aus dem Boden ziehen müssen, und das war so gut wie unmöglich. Die Kraft eines Herkules besaß er nicht.
Trotz vieler schrecklicher Erlebnisse zählte Bill zu den Menschen, die das Leben optimistisch sahen. Das hatte sich auch in diesem Fall nicht geändert. Seine Lage war zwar mehr als bescheiden, aber er war nicht tot. Er lebte, und genau das gab ihm wieder einen kleinen Teil Hoffnung, der sich möglicherweise noch verstärken würde, sollte es jemandem gelingen, ihn zu finden.
Wenn er den Kopf nach rechts drehte, sah er schwach die Umrisse der alten Ruine. Er erkannte auch, dass sich dort etwas getan hatte. Die Mitglieder der Reisegruppe hatten das Gebiet erreicht. Sie trugen Fackeln, deren Licht die Atmosphäre zwischen den alten Mauern noch gespenstischer machten.
Das alles interessierte ihn im Moment nicht. Er wollte wissen, wer ihn in diese Lage gebracht hatte. So gut wie nichts hatte er in diesem verdammten Stollen erkennen können, nur die Erinnerung an das Schreckliche, die war nicht gelöscht.
Er hing am Gitter fest und hatte seine Beine ausgestreckt. Der dumpfe Druck im Kopf blieb und war sogar zu ertragen, denn sein Gegner hatte nicht zu hart zugeschlagen.
Bill’s Gehör verbesserte sich ebenfalls zusehends. Er achtete auf die Geräusche in seiner Umgebung. Hin und wieder glaubte er, das Piepsen einer Feldmaus zu hören, das war auch alles.
Bis er den Klang der Schritte vernahm. Er hörte die leicht dumpf klingenden Echos, dann erschien an seiner Linken ein Schattenumriss, der über den Boden wanderte.
Aus dem Schatten wurde ein Mensch, der vor ihm stehen blieb und ihn anschaute.
Ein Mensch!
Bill fasste es nicht. Er hatte mit einem Monster gerechnet, denn der Anblick war ihm noch präsent. Der Angreifer im Stollen war so etwas wie ein unheimliches Tier gewesen.
Und jetzt?
Bill konnte nicht fassen, was er zu sehen bekam. Vor ihm stand kein Monster, sondern ein Mann in dunkler Kleidung, der eine Jacke trug und seine Beine in eine sehr enge Röhrenhose gezwängt hatte. Auch das Haar war schwarz. Er hatte es nach hinten gekämmt, damit sein gesamtes Gesicht freilag.
Trotz der nicht eben guten Lichtverhältnisse entdeckte Bill diesen überheblichen und kalten Ausdruck in den Zügen. Die leicht aufgeworfenen Lippen, das vorspringende Kinn, die bleichen Wangen und die
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