Das Grab des Herkules
sehen.«
Sophia grinste. »Netter Versuch. Aber ich habe gespürt, wie sie wirklich für dich empfindet – und du für sie. Ich hab gewusst, dass du nicht zulassen würdest, dass ihr etwas zustößt. Für sie gilt übrigens das Gleiche. Nur deshalb, weil dich jemand zur Weißglut reizt, heißt das noch lange nicht, dass du keine tiefen Gefühle für die betreffende Person hegst.«
»Was weißt du schon von Liebe!«, sagte Chase.
Seine Stichelei zeigte jedoch keine Wirkung, Sophias Gesichtszüge verhärteten sich. Sie wandte sich ab und ging davon.
Chase verharrte in der Schusslinie des Scharfschützen, bis draußen ein Wagen vorfuhr und mehrere Männer die Seilbahnstation betraten.
20
Frankreich
C hase lag auf einer Bank. Als er das Geräusch von Schritten hörte, schlug er die Augen auf. Der Kellerraum, in dem er sich befand, war keine Gefängniszelle, aber fensterlos, und die dicke Tür verschlossen. Da er im Laufe des gestrigen Tages Wasser und etwas zu essen bekommen hatte, wusste Chase, dass draußen mindestens zwei von Sophias Leuten Wache hielten.
Aus dem Fußgetrappel hörte er deutlich das Klackern von Sophias Absätzen heraus – an ihren großspurigen, ungeduldigen Gang erinnerte er sich nur allzu gut. Deshalb war er auch nicht überrascht, als sie mit einem bewaffneten Begleiter eintrat. Es war der Scharfschütze vom Staudamm, ein dunkelhäutiger, muskulöser Hüne, der eine schwarze Lederweste und eine Reihe silberner Piercings auf dem kahlrasierten Schädel trug.
»Hallo, Eddie«, sagte Sophia. Anzüglich, voller Selbstvertrauen, wieder obenauf.
»Hallo, Miststück.«
Sie zog einen Schmollmund. »Aber Eddie. Es gibt keinen Grund, so kindisch zu sein. Schließlich bin ich gekommen, um dich mit deiner Liebsten wiederzuvereinen.«
Er setzte sich auf. »Dann ist sie nicht verletzt?«
»Natürlich nicht! Schließlich möchte ich, dass sie etwas für mich tut. Und dafür braucht man einen klaren Kopf. Es wäre also ziemlich kontraproduktiv, sie zu verletzen. Jedenfalls im Moment.« Die versteckte Drohung wurde von einem schwachen Lächeln begleitet; Sophias Begleiter hingegen grinste unverhohlen boshaft und zeigte die in seine Schneidezähne eingelassenen Diamanten. »Übrigens, ich glaube, ich habe dir meinen Freund noch nicht vorgestellt. Eddie, das ist Joe Komosa. Sozusagen mein Schutzengel. Und deiner auch.«
»Ich beobachte Sie schon seit einer ganzen Weile«, sagte Komosa strahlend zu Chase.
Jetzt dämmerte Chase, woher er den Hünen kannte. »Sie waren das in Botswana«, sagte er, »ich habe Sie kurz durchs Oberlicht der Weiterverarbeitungsanlage gesehen. Sie haben die Wachleute erschossen.«
»Ich konnte Nina ja schlecht sterben lassen, wenn ich sie noch brauche«, erklärte Sophia. »Allerdings wollte ich nur, dass ihr unbeschadet aus der Diamantmine herauskamt. Aber dass ihr bis nach London kommen würdet, damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet! Und was den Fallschirmabsprung über der Fabrik angeht … Nur gut, dass ich dir den Peilsender verpasst habe, sonst wären wir vollkommen überrascht gewesen. Aber am Ende hat sich ja doch noch alles zum Guten gewendet.«
»Dick mal ausgenommen«, bemerkte Chase sarkastisch.
»Wie du selbst weißt, haben nicht alle Ehen ein Happyend. Immerhin hat er mich in seinem Testament als Alleinerbin eingesetzt.«
»Da du ihn ermordet hast, dürfte die Verfügung wohl unwirksam sein.«
Sophia lachte. »Aber ich habe ihn gar nicht getötet, Eddie! Das warst doch du!«
Chase straffte sich, was Komosa veranlasste, seine Waffe zu heben. »Was?«
»In einem Anfall von Eifersucht. Auf eine verquere Art ist das sogar romantisch, finde ich. Du warst außer dir, als du herausfandest, dass ich Richard geheiratet habe, und bist ihm quer durch die Welt und durch zwei verschiedene Länder hindurch gefolgt, um ihn umzubringen und mich zurückzugewinnen. Jedenfalls werden das die Augenzeugen aussagen, sobald ich sie ausgewählt habe. Für die IBAK ist dein Verhalten natürlich außerordentlich peinlich, zumal du auch noch den botswanischen Minister ermordet hast. Wofür übrigens ausschließlich Richard die Verantwortung trägt«, setzte sie hinzu. »Ich hatte nichts damit zu tun – andererseits ist es so am besten. Nach dem Verlust der Atlantis-Plattform würde es mich nicht wundern, wenn die UN beschließen würden, ihre Verluste zu begrenzen und die ganze Behörde aufzulösen.«
»Dann hättest du freie Bahn, um ungestört das Grab des
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