Das Grab des Herkules
mit den viel schmaleren, raketenartigen Ausströmöffnungen am Heck verbunden. Der Bug selbst war nicht stromlinienförmig, wie man eigentlich erwartet hätte, sondern eigentümlich stumpf, so als hätte jemand die Spitze der Nase abgeschnitten. »Was meinst du damit, das Ding könnte uns um die Ohren fliegen?«
»Deshalb habe ich das Ding Wobblebug genannt. Die ursprünglichen Wobblebugs waren Automobile mit Dampfantrieb, die vor hundert Jahren hergestellt wurden.«
»Dampfantrieb?«, wiederholte Nina ungläubig.
»Jau. Natürlich wird da keine Kohle verbrannt!« Er zeigte auf die Einlassöffnungen. »Das Meerwasser wird hier angesaugt und von Heizelementen erhitzt. Der superheiße Dampf schießt dann wie bei einem Raketenantrieb hinten heraus. Der Rumpf ist voller Polymerakkus aus Polypyrrol – abgesehen von einem Atomreaktor ist das die einzige Möglichkeit, genug Strom zur Verfügung zu stellen.«
»Moment mal, das Ding macht vierhundert Knoten nur mit Wasserdampf? Weshalb verwenden dann nicht alle einen solchen Antrieb? Ich dachte, U-Boote wären eher langsam.«
»Das sind sie auch.« Da die Wobblebug jetzt im Wasser schwamm, stoppte Trulli die Winsch und sprang auf den Rumpf, um die Trossen zu lösen. Er deutete zum stumpfen Bug. »Aber wenn man der Nase die richtige Form gibt, geht das Ding ab einer bestimmten Geschwindigkeit zur Superkavitation über – dann bildet sich eine Art Schockwelle aus Luftblasen um den Rumpf, die die Bremswirkung des Wassers fast auf null verringert. Eine Art Unterwasser-Warpantrieb sozusagen. Die Russen besitzen seit über zehn Jahren superkavitierende Torpedos namens Schkwal, die mühelos eine Geschwindigkeit von zweihundertfünfzig Knoten erreichen.« Als die Seile am Heck gelöst waren, ging Trulli nach vorn, wobei er wie ein Seiltänzer auf dem schaukelnden Rumpf balancierte. »Dass diese Technik noch nicht für bemannte U-Boote eingesetzt wurde, liegt daran, dass es sehr schwer ist, das richtige Design hinzubekommen.«
»Aber dir ist es gelungen.«
»Na ja«, meinte Trulli, »das wird sich zeigen, nicht wahr?« Er hakte die letzte Trosse aus, sprang wieder aufs Dock und ließ die Trossen hochziehen.
Nina musterte das Unterwasserfahrzeug. »Aber angenommen, es funktioniert …«
»Da gibt es eine Menge Unwägbarkeiten.«
»… dann sollten wir die Ocean Emperor doch einholen können, lange bevor sie New York erreicht, nicht wahr?«
Er nickte. »Ja. Aber es gibt da ein paar Probleme – wie willst du zum Beispiel von dem Ding aus an Bord der Ocean Emperor gelangen?«
Nina musterte die käfigartigen Transportkästen vor Trullis Büro, in denen unter anderem aufgerollte Leinen gelagert waren. »Wir lassen uns etwas einfallen.«
»Hmm. Das zweite Problem ist, dass das ein Ausflug ohne Rückfahrticket ist. Sollte die Ocean Emperor nicht am erwarteten Ort sein, sieht es schlecht aus, denn es führt kein Weg zurück.«
»Wieso das?«
»Man muss eine bestimmte Geschwindigkeit erreichen, bevor der Superkavitationseffekt wirksam wird. Und das geht nur mit einer Rakete. Mit einer richtigen Rakete, nicht mit einer dampfgetriebenen.«
Nina blickte zum Heck der Wobblebug . Zwischen den beiden Ausströmöffnungen befand sich eine dritte, breitere Öffnung. »Eine Rakete ?«
»Ja. Das ist eine Feststoffrakete, wie sie auch bei U-Boot-Torpedos verwendet wird. Sobald sie gezündet ist, gibt es kein Zurück mehr – sie arbeitet nur dreißig Sekunden lang. Fällt die Geschwindigkeit des U-Boots unter die Superkavitationsgrenze ab, war’s das. Die Wobblebug kann nicht wieder beschleunigen. Sie verfügt zwar über Zusatzpumpen zum Manövrieren, aber damit schafft sie nur zwanzig Knoten. Allerhöchstens fünfundzwanzig, wenn man sich keine Sorge ums Durchbrennen macht.«
»Ich mache mir im Moment nur um Eddie Sorgen und darum, dass demnächst womöglich eine Atombombe vor meiner Haustür hochgeht«, sagte Nina.
»Schon kapiert.« Trulli schaltete die Winsch ab, nahm das Ende eines elektrischen Kabels in die Hand und wickelte es von der Trommel ab, als er wieder auf den Rumpf des U-Boots sprang. Er öffnete die Einstiegsluke. »Okay, ich bereite alles vor und …«
»Mr. Trulli!« Sie wandten sich um und sahen Barney, den Wachmann, auf sich zukommen. »Ist alles in Ordnung?«
»Äh, ja, Mann«, sagte Trulli unsicher. »Alles bestens. Ich, äh …« Er blickte in die Luke hinein. »Hab mir gedacht, mein Schlüsselbund könnte da drin sein.«
Barney musterte Nina
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