Das Grab des Herkules
Augenbrauen in die Höhe. »Eigentlich wollte ich die Fragen stellen. Wer hat dir geholfen, aus Algerien rauszukommen? Du kannst es mir ruhig sagen – selbst dir sollte inzwischen klar sein, dass mich niemand mehr aufhalten kann.«
Chase führte den rechten Arm um das Rohr herum und sah auf die Uhr. Es ging auf zwei Uhr morgens zu – also waren es noch knapp sieben Stunden bis zur geplanten Zündung der Bombe. »Doch, es ist noch massig Zeit.«
Sophia seufzte. »Der alte Dickkopf … bis zuletzt. Glaub mir, Eddie, Joe hat das Rohr gecheckt, bevor er dich daran gefesselt hat. Das sitzt felsenfest. Um dich loszumachen, müsstest du dir schon die eigene Hand abnagen. Also, wer hat dir geholfen?«
Statt zu antworten, packte er das Rohr und zerrte daran. Sophia hatte nicht gelogen, es ließ sich nicht bewegen und klapperte nicht einmal. Frustriert ließ Chase sich zu Boden sinken. »Der Tote, den ihr in dem Raum mit den Speeren zurückgelassen habt, hatte ein Funkgerät«, sagte er. »Ich habe den MI6 angefunkt.«
Sophia schaute verwirrt drein. »Aber die Reichweite des Funkgeräts war doch viel zu gering … Oh, ich verstehe. Einer von Macs kleinen Tricks, nehme ich an. Aber du hast offensichtlich keine Unterstützung von ganz oben bekommen, sonst wäre man bereits tätig geworden.«
»Das kann immer noch passieren.«
»Nein, dazu wird es nicht kommen.« Sie schritt langsam um ihn herum, auf den Lippen den Anflug eines Siegerlächelns. »Du hast etwas außer Acht gelassen, Eddie – ich kenne dich. Täuschung gehört nicht zu deinen Stärken.«
»Im Unterschied zu dir«, entgegnete Chase.
»Jedenfalls ist das eine nützliche Gabe. Keiner meiner Exgatten hat bemerkt, dass ich ihn nur für meine Zwecke benutzt habe. Das gilt übrigens auch für dich.«
»Und was bezweckst du? Ich habe dir gesagt, was du wissen wolltest, jetzt bist du an der Reihe – das bist du mir schuldig.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Ich schulde dir gar nichts.«
»Nur dein Leben.«
Obwohl sie es zu verbergen suchte, bekam Chase mit, dass er einen wunden Nerv getroffen hatte. Sophia vollendete ihren Kreisgang und machte Anstalten, den Frachtraum zu verlassen, dann wandte sie sich um. »Also gut, wenn du es wirklich wissen willst, dann sag ich’s dir. Das ist nur recht und billig, denn du bist schließlich mitverantwortlich.«
»Wofür zum Teufel soll ich mitverantwortlich sein?«
Sie ging in die Hocke und sah ihm in die Augen. Bosheit brannte in ihrem Blick. »Deinetwegen, Eddie, hat meine Familie alles verloren. Mir ist nur mein Adelstitel geblieben. Und das ist ganz allein deine Schuld.«
Chase versuchte zu verstehen, was sie meinte, doch es gelang ihm nicht. »Ich kann dir nicht ganz folgen, Soph. Würd’s dir was ausmachen, dich zu erklären?«
»Mein Vater war ganz und gar gegen unsere Heirat.«
»Ja, sicher, das ist mir auch bald klar geworden. Etwa fünf Sekunden nach unserer ersten Begegnung.«
»Nein«, zischte sie. »Du hast ja keine Ahnung. Er hat dich verachtet , in seinen Augen warst du Ungeziefer.«
Chase schnaubte. »Jetzt habe ich wenigstens kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich ihm diese billigen Manschetten zu Weihnachten geschenkt habe.«
Sophia fuhr zusammen. »Das ist nicht komisch, Eddie!« Einen Moment lang meinte er, sie wolle ihn treten, doch obwohl er gefesselt war, war sie zu vorsichtig, um sich in die Reichweite seiner Hände oder Füße zu begeben. »Ich hab’s dir nie gesagt, aber in der Zeit unserer Ehe hat Vater mich praktisch verstoßen und mir finanziell den Geldhahn zugedreht. Du hast das nicht mal bemerkt, denn du warst so ans billige Leben gewöhnt, dass dir gar nicht der Gedanke gekommen ist, wie sehr mir das zugesetzt hat.«
»Also geht es darum?«, höhnte Chase. »Um das bedauernswerte reiche Mädchen, dem Papi die Kreditkarten gesperrt hat?«
Abermals sah es so aus, als wollte sie ihn im Zorn schlagen. »Du hast meine Familie und das, was wir getan haben, noch nie verstanden. Unser Geschäft, unser Reichtum , reicht mehrere Generationen in die Vergangenheit zurück und gründet auf Fleiß und unserem guten Ruf. Wir haben ihn uns verdient, wir hatten ein Recht darauf. Aber dann …« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Die Welt hat sich gewandelt. Ein guter Ruf und ererbtes Recht zählten auf einmal nichts mehr. Es ging nur noch um Gier, um Geld, um Zahlen, die zwischen Computern ausgetauscht werden. Um der vierteljährlichen Gewinnmitteilung willen wurden ererbte
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