Das Grab des Herkules
überrascht. »Du willst Mac um einen Gefallen bitten?« Ein zögerliches Lächeln breitete sich über ihre Züge. »In diesem Fall könnte ich dir vielleicht helfen. Er hatte letztes Jahr geschäftlich hier zu tun, und jetzt schuldet er mir einen Gefallen. Mehrere sogar.«
»Wer ist Mac?«, wollte Nina wissen.
»Ein alter Freund«, sagte Chase und warf TD einen argwöhnischen Blick zu. »Weshalb schuldet Mac dir einen Gefallen?«
»Mehrere wohlgemerkt.« Sie bewegte vielsagend die Brauen auf und ab.
Chase war geschockt. »Aber er ist doch doppelt so alt wie du!«
»Na und? Er hat eine Menge Erfahrung«, entgegnete TD.
»Er hat nur noch ein Bein!«
»Das eröffnet ganz neue …«
Chase warf entsetzt die Hände hoch. »Nicht! Kein Scheißwort mehr!«, schimpfte er und schüttelte sich.
»Möglichkeiten« , schloss TD mit breitem Grinsen.
Chase verzog gequält das Gesicht. »Weshalb musstest du mir das sagen? Du und Mac? Also wirklich.« Er schauderte.
TD verschränkte die Arme und zog einen Schmollmund. »Soll ich euch nun helfen oder nicht?«
»Ja, bitte «, warf Nina ein, ehe Chase antworten konnte. »Und jetzt noch mal: Wer ist Mac?«
»Jemand, der dich und Eddie nach England schaffen kann«, antwortete TD. »Es könnte einen Tag oder etwas länger dauern, aber aufgrund seiner guten Verbindungen kann er Leute ohne Pass außer Landes bringen.«
»Wie das?«
»Mac hat Freunde an höchster Stelle«, sagte Chase. »Oder vielleicht sollte man eher sagen, an niedriger. Kommt auf die Betrachtungsweise an.«
»Wie auch immer, ich bin sicher, er kann euch helfen«, sagte TD. Sie lächelte Chase an und zückte ihr Handy. »Möchtest du mit ihm reden, oder soll ich?«
»Du hast das Wort«, erwiderte Chase. Seufzend fasste er sich an die Stirn. »Oder mehrere.«
15
London
W en haben wir denn da?«, schnarrte der bärtige Schotte und zwinkerte schelmisch mit den Augen. »Eddie Chase, der international gesuchte Mörder, Haftbefehl inklusive.«
Chase lächelte freudlos. »Mac, ich bin Ihnen dankbar für Ihre Hilfe und alles, aber mal ganz im Ernst – Sie sind ein Arschloch.«
»Schön, Sie wiederzusehen.« Mac zog grinsend die Tür auf und ließ Chase und Nina in die Diele seines viktorianischen Reihenhauses eintreten. »Und Sie müssen Dr. Wilde sein. Willkommen in London – ich heiße Jim. Meine Freunde nennen mich Mac.« Er schüttelte Nina die Hand.
»Nennen Sie mich Nina. Freut mich, Sie kennenzulernen.« Sie schätzte Mac auf plus/minus sechzig. Er war über eins achtzig groß und sein graues Haar zerzaust. Trotz seines Alters war er auf seine Weise noch immer ansehnlich und in guter körperlicher Verfassung. Aufgrund der Bemerkungen, die Chase in Namibia über ihn gemacht hatte, musterte Nina verstohlen seine Beine, konnte aber nicht erkennen, welches eine Prothese war. »Woher kennen Sie Eddie?«, fragte sie dann.
Mac runzelte die Stirn. »Er hat es Ihnen nicht erzählt?«
»Er macht ein großes Geheimnis aus seiner Vergangenheit«, erwiderte Nina bissig.
Mac schloss hinter ihnen die Tür, und Nina nutzte die Gelegenheit, um sich umzuschauen. Die Diele war eigentlich eher ein Atrium, gesäumt von zweistöckigen Balkons und gekrönt von zwei wundervollen alten Buntglasoberlichtern. Wie sein Besitzer wirkte auch das Haus klar und spartanisch; bei den wenigen Ziergegenständen handelte es sich um kostbare Antiquitäten.
Mac geleitete sie ins angrenzende Wohnzimmer.
»Ich war Eddies Vorgesetzter«, erklärte er. »Colonel Jim McCrimmon von den Speziallufteinsatzkräften Ihrer Majestät. Inzwischen natürlich im Ruhestand. Aber ich berate noch immer … verschiedene Behörden.«
»Er meint den MI6«, erklärte Chase mit einem missbilligenden Feixen. »Ein Haufen Wichser.«
Mac lachte leise in sich hinein. »Ich glaube, Eddie hält nicht viel vom Geheimdienst. Aber die Leute dort sind nicht alle schlecht – zumindest nicht nach Spionagemaßstäben. Sie wären jetzt nicht hier, wenn die Sie nicht aus Namibia hinausgeschleust hätten. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Obwohl auch ein Sofa vorhanden war, nahmen Nina und Chase jeweils in einem Sessel Platz. Mac registrierte dies mit einem spöttischen Lächeln, enthielt sich aber einer Bemerkung. »Nun«, sagte er in ernsthafterem Ton, »Sie haben es beide mehr oder minder unversehrt bis hierher geschafft. Vielleicht möchten Sie mir jetzt erklären, weshalb ich eine Menge Hebel in Bewegung setzen musste, um das zu ermöglichen?«
Hauptsächlich
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