Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
Vom Netzwerk:
zu Boden. Die Jacke bauschte sich in seinem Nacken. In seinem Bauch loderten Schmerzen, die sich wie ein Lauffeuer in seine Brust ausbreiteten. Er presste die Augen zusammen und stöhnte, als er mit gespreizten Beinen in sitzender Position landete. Die Schmerzen verblassten zu einer pulsierenden Taubheit. Er war angeschossen worden. Er war angeschossen worden ...
    Hinter seinen Lidern zuckten Farben und Licht. Er hörte keinerlei Geräusche. Stattdessen sah er das Gesicht seiner Frau, deutlicher, als er sich durch den Schleier der Jahre hinweg daran zu erinnern vermocht hätte. Sein Sohn, zunächst noch ein unbekannter, vager Schemen, nahm klarere Formen an. Alles drehte sich um ihn. Vincent kehrte in die Gegenwart zurück und stellte fest, dass er seitwärts gekippt war. Er schmeckte Staub im offenen Mund. Gott, es tut mir Leid , dachte er benommen und suchte in der zunehmenden Finsternis nach jenem kurzen Blick, den er auf sein verlorenes Kind und seine Frau erhascht hatte. Er versuchte, die Hand auszustrecken. Kurz gelang es ihm, den rechten Arm anzuheben, dann sank er kraftlos zu Boden. Danach rührte Vincent Tarretti sich nicht mehr.
    Elizabeths zitternde Hand richtete den Schein der Lampe auf den dunklen Fleck an der Wand, der träge in Richtung des zusammengesackten, reglosen Friedhofswärters auf dem Boden hinabkroch. Die Stelle an der Wand glitzerte im Licht.
    Nathans Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Rasch wandte er sich von dem Anblick ab und versuchte, aufkeimende Übelkeit zurückzudrängen, die sich in seinem Magen bildete. Er wollte etwas sagen, konnte jedoch nicht. Alles war verloren. Nichts schien mehr real. Nichts.
    Jemand kam ohne Eile die Leiter herabgeklettert. Weil Elizabeth die Taschenlampe wie gebannt auf die gegenüberliegende Wand gerichtet hielt, konnte Nathan nicht erkennen, um wen es sich handelte.
    »Das haben Sie gut gemacht, Mr. Everson. Erinnern Sie mich später daran, Ihnen ein Leckerli zu geben.« Der Sprecher lachte, allerdings hörte der Laut sich verkniffen und humorlos an.
    »Pastor Dinneck«, sagte die Stimme – Peter Quinns Stimme. »Und seine reizende Begleiterin, wie sie auch heißen mag.« Ein weiteres Kichern. »Ich bedauere diese dramatische Entwicklung. Aber lassen Sie mich Ihnen versichern, dass Mr. Tarretti ein anständiges Begräbnis erhalten wird. An einem der schönsten Plätze auf diesem Friedhof.« Dann streckte Quinn die Arme aus, ging durch den Raum, durchquerte den Strahl der Taschenlampe und blieb vor dem Betonaltar stehen. Fast beiläufig fügte er hinzu: »Mr. Everson, falls die beiden versuchen, sich Ihnen oder mir zu nähern, erschießen Sie die Frau. Den Priester brauche ich noch.« Er konnte die Augen nicht von dem Schatz vor ihm abwenden.
    Dem Schatz, der nun ihm gehörte.

Kapitel Sechsundfünfzig
    Elizabeth konnte die Taschenlampe nicht von dem Blut an der Wand lösen. Es ist kein Blut. Niemandes Blut . Es musste an der Taschenlampe liegen, eine optische Täuschung sein.
    Sie musste mit dem Licht anderswohin zielen. Doch dadurch würde sie bestätigen, was sie tief in ihrem Herzen bereits wusste. Es war nichts mehr übrig außer jener roten Schliere, jenem grellen Farbklecks an der Wand, der rasch dunkler wurde. Nichts war von der Welt, ihrem Leben, der Wirklichkeit geblieben. Würde sie die rechte Hand auch nur ein kleines Stück bewegen, würde selbst jenes letzte, solide Stück des Universums zerbröckeln.
    Instinktiv versuchte die logische Seite ihres Gehirns einzuschreiten, die Kontrolle zu übernehmen und sie für ihre plötzliche Verwirrung zu tadeln. Du bist ausgebildete Krankenschwester! brüllte sie. Hilf ihm, er ist angeschossen! Von einem ihrer engsten und ältesten Freunde. Das überstieg jede Logik.
    Josh hatte nicht soeben auf einen Menschen geschossen. Er hatte Tarretti nicht getötet. Es konnte nicht sein. In der Welt, aus der Elizabeth stammte, wäre das nicht geschehen. In Tarrettis Wahnvorstellungen waren nur Tarretti selbst, Nate und sie verstrickt.
    Jemand ging an ihr vorbei und blockierte kurz die Sicht auf die letzten Reste der Welt. Elizabeth sog scharf die Luft ein, rechnete damit, dass die Decke und der Himmel auf sie herabstürzen würden.
    Josh hatte keinen Mann erschossen. Und dort stand auch kein Fremder, der die Kiste auf dem Altar anstarrte.
    »Elizabeth ...« Eine leise Stimme, jene Nathans.
    »Elizabeth, geht es dir gut? Sieh mich an, aber langsam.«
    Langsam? Warum sollte sie es langsam tun? Was wollte er von

Weitere Kostenlose Bücher