Das Grab des Salomon
gegeben haben, Herr Pastor.«
Nathans Stimme zu hören, erfüllte sie mit einer überraschenden Ruhe. Sie war wieder bei ihm. Das war wenigstens etwas . Ob zum Besseren oder zum Schlechteren. Sie durchquerten die dunkle Küche und betraten die eigentliche Kirche. Als Paulson mit der Taschenlampe in den Altarraum leuchtete, wandten die Dinge sich schlagartig zum Schlechteren.
Elizabeth kreischte hinter dem Knebel.
Kapitel Siebenundsechzig
Gemeinsam gingen sie langsam um den Altarraum herum und starrten im unsteten Lichtstrahl aus Paulsons Händen auf die Szene vor ihnen. Der Körper eines Mannes lag ausgestreckt vor der Kanzel. Eine dünne Blutspur zog sich über den Boden in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nathan hatte schon auf dem Bürgersteig Blutstropfen bemerkt, aber wegen Elizabeths und Quinns Streit keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken.
Nun begriff er. Mochte Vincent Tarretti zuvor noch nicht tot gewesen sein, so war er es nun zweifellos. An seinem Rücken klaffte in der Jacke ein großes, unebenmäßiges Loch. Rings um den Körper hatten sich kleine Blutlachen gebildet, viel weniger, als Nathan erwartet hätte, wenn der Mann noch am Leben wäre.
»Da ist es«, sagte Paulson und hielt die Taschenlampe so, dass der Strahl etwas erfasste, das halb unter Tarrettis Körper lag. »Ich weiß nicht, ob es schon hier gewesen ist oder ob er das Ding den ganzen Weg getragen hat, aber –« Er verstummte. Seine Stimme war vor Aufregung immer höher angestiegen – offenbar war ihm aufgefallen, wie er sich anhörte, und er hielt es für besser zu schweigen.
Quinn ging an dem kurzen Geländer vorbei und kniete sich in geringem Abstand neben den Leichnam. Vollkommene Stille kehrte ein, und in jenem Augenblick hörte Nathan das Geräusch. Er sah sich um, konnte dem Laut jedoch keine Richtung zuordnen, und gelangte zu dem Schluss, dass er ihn unter Umständen nur in seinem Kopf wahrnahm.
Gesang? Das ergab keinen Sinn. Stimmen, ja, aber aus weiter Ferne, und sie wechselten sowohl den Takt als auch die Höhe. Ein Sprechgesang wie von Mönchen, dann nur der Wind, der durch Bäume säuselte, Applaus, ein weinendes Kind, Wasser, Donner, weitere Stimmen, ein Orchester, dass eine nicht enden wollende Note spielte ...
Peter Quinn stolperte rücklings, bis er sich außerhalb des kurzen Geländers befand. Seine Bewegungen glichen jenen eines entsetzten Mannes. In seinem Gesicht hingegen zeichnete sich selbst im trüben Licht von Paulsons Taschenlampe unübersehbar ein Ausdruck verzückter Freude ab. Mit seinen Schritten verhallte das Geräusch, das Nathan gehört hatte, zurück ins Nichts und nistete sich stattdessen in seinem Hinterkopf ein.
»Schalten Sie kurz das Licht aus«, flüsterte Quinn.
»Was?«
Etwas lauter: »Schalten Sie es aus.«
Mit einem Klicken setzte Dunkelheit ein, die nur der Schimmer einer Straßenlaterne durch die bunten Glasscheiben etwas auflockerte. Ein Leuchten, zart wie der Schein eines Kinderleuchtstabs am Tag nach Halloween, drang unter Vincent Tarretti hervor. Nathan blinzelte. Er hatte Mühe, Gedanken für das zu finden, was er sah. Das Licht schien gar nicht wirklich vorhanden zu sein. Was allerdings keinen Sinn ergab.
Er räusperte sich, weil er den unbändigen Drang verspürte, die Stille zu durchbrechen. In jenem Augenblick wusste er zweifelsfrei, dass Vincent Tarretti die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht nicht die ganze Wahrheit, wie die falsche Bundeslade bewies, aber es stand außer Frage, was sich unter seinem Körper befand. Es war das, wonach diese Leute her waren. Zumindest ein Teil davon.
Gott, was soll ich tun?
Die Taschenlampe erhellte die Umgebung wieder, diesmal in der Hand von Quinn selbst. Seine Stimme klang atemlos, als keuche er leidenschaftlich. »Entfernen Sie die Leiche. Aber vorsichtig! Berühren Sie nicht, was unter dem Mann liegt.«
Paulson blickte ungläubig drein. »Das kann nicht Ihr Ernst sein. Glauben Sie etwa, ich hätte das nicht gesehen? Außerdem höre ich etwas. Irgendwas stimmt hier nicht.«
»Machen Sie schon, oder ich lasse Ihnen von Mr. Everson ins Herz schießen. Mal sehen, ob Sie auch so lange durchhalten wie Tarretti.«
Paulson sah die anderen drei an. Er schien im Begriff, etwas zu erwidern, vermutlich, um vorzuschlagen, dass sie es doch tun sollten, aber offensichtlich entschied er sich dagegen. Während Quinn das Licht auf die Kanzel gerichtet hielt, trat Paulson vor.
Nathan wandte kurz den Blick ab und zuckte vor
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