Das Grab des Salomon
Art Dinnecks Stimme alle überrascht, denn auch die anderen schauten zurück. Manny spürte, wie Tarrettis Körper seinem Griff entglitt. Quinn richtete die Taschenlampe auf Dinneck. Der Mann beugte sich auf seinem Sitz vor. Seine Augen wirkten immer noch glasig, dennoch hatte er deutlich den Namen seines Sohnes ausgesprochen.
»Mr. Dinneck«, ertönte jene schaurige Stimme, die Quinn für Mannys Geschmack viel zu häufig einsetzte. » Nathan ist nicht hier. Still jetzt, der Batter schießt gleich den zweiten raus. Konzentrieren Sie sich auf das Spiel.«
Art lehnte sich auf dem Sitz zurück. Seine beunruhigte Miene glättete sich und nahm wieder den vorherigen Ausdruck dümmlicher Selbstzufriedenheit an. Manny fragte sich nicht zum ersten Mal, wie oft Quinn diesen Trick schon bei ihm angewandt haben mochte. Eigentlich glaubte er, dass er sich daran erinnern würde, aber vielleicht auch nicht, wenn man bedachte, wie effizient Quinn Art und die anderen seit mittlerweile Monaten kontrollierte.
Quinn schwenkte das Licht zurück auf die Kanzel und sagte: »Machen Sie schnell und –« Jäh verstummte er.
Manny blickte hinab. Mit einer Hand hielt er immer noch lose Tarrettis Schulter, obwohl der Körper des Mannes inzwischen an der Kanzel lehnte.
Tarretti hatte die Augen zu schmalen Schlitzen geöffnet. Mit beiden Händen umklammerte er eine Pistole.
»Gott, vergib mir«, krächzte der vermeintliche Tote. Die Mündung blitzte auf, und Paulson hatte das Gefühl, eine fünfzig Kilo schwere Faust schlüge ihm mit voller Wucht in die linke Hüfte. Die Kirche drehte sich. Er vergaß, wo er sich befand, was er tat. Paulson prallte gegen das Geländer, drehte sich um und rollte sich darüber, versuchte, aus der Fahrbahn des Wagens zu geraten, der ihn gerammt haben musste.
Er hat mich angeschossen!
Der ganze Raum flackerte. Quinn sprang zur Seite, wodurch die Taschenlampe eine schmale Linie über den Teppich zauberte. Der Strahl reichte für Paulson, um zu erkennen, dass er abseits der anderen gelandet und an der vordersten Kirchbankreihe zum Liegen gekommen war.
Seine Hand wanderte instinktiv zu der Stelle, an der er angefahren worden war – angeschossen, ich bin angeschossen worden . Als er sie zurückzog, klebte Blut daran, und ein wahrer Strom davon ergoss sich aus einem Loch unmittelbar über der Hüfte. Eine noch größere Austrittsöffnung spürte er seitlich einer Gesäßbacke.
An der Kanzel erhob sich Tarretti nicht, um zum Todesschuss anzusetzen. Stattdessen schlossen sich langsam die Augen des Mannes, und die Pistole fiel ihm aus der schlaffen Hand.
»Helfen Sie mir, Quinn«, flüsterte Paulson. »Bitte.«
Vincent Tarretti spürte, wie ihm die Pistole aus den Fingern glitt, dann fühlte er nichts mehr.
Herr Jesus, vergib mir meine Sünden. Ich habe versucht, sie zu beschützen. Bitte mach, dass es gereicht hat. Verzeih mir, dass ich diesen Mann erschossen habe. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Bitte nimm mich zu dir. Ich kann nicht mehr weiter.
Einen Augenblick lang gerieten die Umrisse der anderen in der Kirche im Nachglühen der Taschenlampe deutlich in Sicht. Er sah Nathan Dinneck, konzentrierte sich einen scheinbar endlosen Moment auf ihn und schloss danach die Augen. Diesmal jedoch erwartete ihn keine Dunkelheit wie zuvor in der Gruft, sondern Licht. Je länger er hinstarrte, desto greller leuchtete es. Er beobachtete es mit keinen physischen Augen mehr. Drei Gestalten näherten sich ihm. Er kannte sie. Er kannte sie alle. Am liebsten hätte Tarretti vor Freude aufgeschrien.
Und in jenem himmlischen Augenblick endete Vincent Tarrettis Mission.
Kapitel Siebzig
Das kann nicht geschehen! Wie kann dieser Mann noch gelebt haben!?
Peter Quinn schaute von seiner ausgestreckten Haltung auf dem Boden vor dem Altar auf. Es war keine Pose der Huldigung, sondern der Selbsterhaltung. Tarretti hatte eine Waffe bei sich gehabt! Er verfluchte sich für seine Torheit. Die Möglichkeit, dass der Friedhofswärter bewaffnet sein könnte, war der Grund gewesen, warum er Everson als Ersten in die Gruft geschickt und ihm aufgetragen hatte, den Mann zu erschießen, sobald er ihn anhand von Peters Beschreibung erkannte. Eine richtige Entscheidung. Aber der Mann hatte dem Tod nicht nur lange genug ein Schnippchen geschlagen, um hierher zu kriechen, er hatte auch noch immer seine verfluchte Waffe gehabt.
Manny Paulson stöhnte an der Kirchbank hinter ihm. Quinn ignorierte ihn. Er hatte seinen Zweck erfüllt und
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