Das Grab des Salomon
Willkommensempfang für den neuen Pastor, aber nächste Woche würde eine Abschiedsfeier für den einzigen Geistlichen folgen, den die meisten dieser Menschen je gekannt hatten. Nathan verspürte plötzlich Schuldgefühle wegen all der Aufmerksamkeit, die er an diesem Vormittag erhielt.
Dann kam Josh Everson an die Reihe, und Nathan umarmte ihn ebenso inbrünstig wie seine Eltern.
»Vater Dinneck, wenn ich nicht irre«, meinte der junge Mann blumig.
Nathan lachte. »Eigentlich Pastor Dinneck, Kumpel.«
Josh grinste. »Nah dran.«
»Wie ich sehe, hast du meine E-Mail bekommen.«
»Ja. Ich habe auch geantwortet, aber danach nichts mehr gehört.«
»Ein paar Minuten, nachdem ich dir die Nachricht geschickt hatte, saß ich schon im Taxi zum Busbahnhof.« Er klopfte auf die Ausbuchtung seiner Jacke, wo sich sein Mobiltelefon verbarg. »Mein Handy. Mit diesem Ding kann ich Textnachrichten empfangen und senden. Ich schicke dir die Nummer. Wie läuft das Geschäft?«
»Ich kann dir sagen, Nate, ohne mein überirdisches Management würde der Greedy den Bach runtergehen.« Der Greedy Grocer war der einzige Gemischtwarenladen der Ortschaft und befand sich eine halbe Meile entfernt am Ende des Einkaufsstreifens an der Hauptstraße. Sowohl Nathan als auch Josh hatten in ihren Teenagerjahren verschiedene Male dort gearbeitet. Josh war als Teilzeitangestellter geblieben, während er das Wachusett Community College für eine zweijährige Wirtschaftsausbildung besucht hatte. Ein paar Monate nach seinem Abschluss war ihm die Leitung des Ladens angeboten worden. Unlängst hatte sich ihre Kommunikation über das Internet primär um die Parallelen zwischen ihnen gedreht. Nathan war nach dem College in seine Heimatkirche zurückgekehrt, Josh zum Greedy Grocer . Natürlich hatte sein Freund rasch und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er seine Heimkehr für die bedeutendere hielt. In der Kirche bekommt man um zehn Uhr abends keine Milch , hatte Josh in einer E-Mail erklärt. Nun sagte er: »Aber heutzutage muss man schon froh sein, überhaupt Arbeit zu haben. War ein schöner Gottesdienst, Nate. Ich muss zugeben, anfangs war ich etwas abgelenkt dadurch, dass mein bester Freund der Redner war, aber nach einer Weile habe ich mich daran gewöhnt.«
»Komm doch nächste Woche wieder.«
»Vielleicht mache ich das.« Nathan hoffte, dass er es ernst meinte. Josh klopfte ihm auf die Schulter und ging mit einem »Wir sehen uns später« weiter. Ein ausführlicheres Wiedersehen würde warten müssen. Der Mann, der Nathan als nächster begrüßte, stellte sich als Manny Paulson vor.
»Ich bin ein Freund Ihres Vaters. Er hat eine Menge guter Dinge über Sie erzählt.« Bei der Erwähnung seines Vaters schaute Nathan durch den Saal. Art Dinneck starrte ihn und Paulson an, und Nate konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er dabei besorgt wirkte. Als sein Vater Nathans Blick bemerkte, traten ein Lächeln und ein flüchtiges Winken an die Stelle des Gesichtsausdrucks. Paulson nickte zurück und wandte sich wieder seinem geistlichen Gegenüber zu.
»Eine gute Predigt, Herr Pastor«, meinte er. »Ich gebe zu, ich bin an sich kein großer Kirchgänger, aber als ich erfuhr, dass Arts Erstgeborener der neue Pastor ist, musste ich Sie einfach kennen lernen.«
Nathan empfand Erstgeborener als seltsame Wortwahl, doch er dankte dem Mann beiläufig und sagte, er hoffe, ihn noch öfter zu sehen.
»Seien Sie vorsichtig damit, was Sie sich wünschen.« Der Mann lachte über die eigene Bemerkung, dann ging er in Arts Richtung davon.
Als Nathan sich umdrehte, um die nächste Person in der Schlange zu begrüßen, verschwand der Saal. Zwei Steinengel ragten über ihm auf; leichter Regen troff von ihren Gesichtern. Er beobachtete sie, erwartete halb, sie würden die Köpfe senken und auf ihn herabblicken oder sich vielleicht in die Lüfte erheben. Unfähig, die Gedanken zu sammeln, starrte er sie an und spürte den Regen auf dem Gesicht.
»Herr Pastor? Alles in Ordnung?«
Die Szene drehte sich wie ein Strudel schmutzigen Wassers. Nathan schloss die Augen und rang plötzliche Übelkeit zurück. Als er die Lider wieder aufschlug, hielt eine Frau seine Hand. Er befand sich im Pfarrsaal, stand noch auf den Beinen und begrüßte eine junge Mutter mit zwei schüchternen Kindern, die sich hinter ihrem Kleid versteckten. Dann spürte er, wie er sank. Seine Knie knickten unter ihm ein, doch er fing sich im letzten Augenblick. »Herr Pastor!«,
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