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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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nach zwei Jahren konnten sie ihre Gefühle füreinander nicht mehr unterdrücken und fielen sowohl von ihrer Enthaltsamkeit als auch von der Kirche ab.
    Sie rissen von zu Hause aus, indem sie sich bei Nacht und Nebel davonstahlen, und fanden dreißig Meilen nördlich, etwas außerhalb von Hollywood, eine winzige, ungezieferverseuchte Wohnung. Während Melissa sich nach einem Job als Model umsah, arbeitete Vinnie am Grill eines Lokals zwei Häuserblocks vom Sunset Strip entfernt. Er hätte jede Arbeit angenommen, solange sie reichte, um die Miete zu bezahlen. Bald darauf heirateten sie. Nicht in einer Kirche, sondern in einer kleinen Kapelle in Las Vegas nach einer strapaziösen Tagesfahrt. Ein Friedensrichter führte die Zeremonie durch. Melissas Karriere als Model endete, bevor sie begonnen hatte, als sie erfuhr, dass sie schwanger war.
    Vinnie suchte sich einen zweiten Job. Außerdem fanden sie eine etwas größere Wohnung mit kleineren Küchenschaben. Vincent fragte sich selbst heute noch, wie sein Sohn gewesen wäre, hätte er je das Licht der Welt erblickt. Und er dachte darüber nach, was für eine Mutter Melissa geworden wäre – zweifellos eine fantastische –, hätte sich ein Mann namens Simon Ellison nicht einen Drink zuviel genehmigt, bevor er nach Hause fuhr.
    Vinnie war erst seit zwanzig Minuten von der Arbeit zu Hause gewesen, als die Polizei an die Tür klopfte und ihm mitteilte, dass seine Frau tot sei. Der Beamte, der geschickt worden war, um die Angehörigen zu verständigen, war nicht selbst am Unfallort gewesen. Er hatte lediglich den Auftrag erhalten, Vincent Tarretti darüber zu informieren, dass seine Frau und sein ungeborener Sohn bei einem Autounfall getötet worden waren.
    In der unter drei losen Dielenbrettern neben Vincents Bett versteckten Metallkassette bewahrte er nun zwischen seinen Notizblöcken und dem dünnen Stapel sonstiger, vergilbter Zeitungsausschnitte die einzige Meldung über den Unfall auf. In einer Ecke davon stand eine winzige »1« geschrieben, doch sie entsprach keinem entsprechenden Eintrag in einem der Blöcke. Abgesehen von seinem billigen, vergoldeten Ehering, den er ebenfalls in der Kassette aufbewahrte, war jener Zeitungsbericht das Einzige, was er aus jenen längst vergangenen Tagen behalten hatte.
    Seine Erinnerungen an das Leben nach der Beerdigung, die in der Ortschaft stattgefunden hatte, in der sie beide aufgewachsen waren, glichen einem alkoholschwangeren Nebelschleier. In so gut wie jedem Sinn des Wortes war er bei jenem Unfall zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn gestorben. Danach wartete er nur noch auf das eigene Ende. Wenn er in späteren Jahren darüber nachdachte, war er stets überzeugt davon, dass der Tod in einer speziellen Nacht auf ihn gewartet hatte, in der er seinen dritten Jack Daniels mit dem neunten Bier hinuntergespült hatte. Und wenn nicht in jener Nacht, dann bald darauf. Jedenfalls hatte er damals gespürt, dass er sein persönliches Limit erreicht hatte, ein Zeichen dafür, dass er hinauf in seine Wohnung gehen und auf dem am einfachsten zu erreichenden Möbelstück die Besinnung verlieren sollte. In jener Nacht allerdings hatte er gezögert und sich einen weiteren Whiskey und noch ein Bier bestellt. Womit er eine Grenze überschritt, die ihn tief hinein in eine ausschließlich auf ihn lauernde Finsternis der Verzweiflung führte:
    Als er an seinem Tisch lümmelte, die mittlerweile leere Bierflasche darauf drehte und ohne große Entschlossenheit mit dem Gedanken spielte, doch nach oben zu gehen, nahm eine alte – nein, stein alte, kam ihm damals in den Sinn – Frau auf der Bank ihm gegenüber Platz. Sie hatte allerlei Blicke der trübsinnigen Stammgäste der Kneipe auf sich gezogen. Doch sobald die Leute sahen, zu wem sie sich setzte, behielten sie ihre Kommentare für sich. Sie hatten Vinnies Absturz lange genug beobachtet und oft genug miterlebt, wie er die Beherrschung verlor, um keine Äußerungen über jemanden abzugeben, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um seine Großmutter handelte.
    Was sie jedoch nicht war.
    »Sind Sie Vincent Tarretti?«
    »Jaaa ...«, brachte er mühsam hervor und versuchte ohne großen Erfolg, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren.
    »Mein Name ist Ruth Lieberman«, stellte sie sich vor. »Ich sterbe.«
    Vinnie verdrehte die Augen. »Tja, schlimm für Sie«, meinte er und hob die leere Bierflasche in dem Versuch an, die Aufmerksamkeit der einzigen Kellnerin der Kneipe zu erregen, eines dürren

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