Das Grab des Salomon
diesen jämmerlichen Geboten und was immer sich sonst darin verbergen mag. Ich will die Macht. Er will die Macht, die ihm seit der Zeit Salomons gehört. Er will die Pforte zum Himmel weit öffnen.« Quinn grinste, fügte jedoch nichts hinzu.
Der greise Pastor versuchte aufzustehen, doch die nackte Angst ließ alle Kraft aus seinen Beinen weichen. Was konnte er sagen? Er wusste mit grässlicher Gewissheit, dass dieser Mann nichts glauben würde, was er von sich gab.
»Ich verstehe nicht, worum es hier geht, wirklich nicht. Ich habe nicht, was Sie beschreiben. Niemand hat das.« Plötzlich erkannte er, dass er vielleicht mit einer schlichten Begründung eine Chance haben könnte. Er würde dem Mann einfach Fakten präsentieren. »Die Tafeln und ihr geheiligtes Behältnis sind vor tausenden von Jahren verschwunden. Sie sind für immer verloren. Vermutlich existieren sie gar nicht mehr. Es gab seither so viele Kriege, dass sie höchstwahrscheinlich zerstört wurden. Tut mir Leid.«
Die mittlerweile nicht mehr lächelnde Miene des Eindringlings veränderte sich schlagartig. Seine Züge erröteten vor Zorn.
»Sie sind ein Priester. Wir befinden uns ganz in der Nähe. Sie wissen es, ich weiß es. Und Sie werden mir sofort verraten, wo sie sich befindet – oder ich töte Sie.«
Hayden schloss die Augen und betete um Kraft. Dabei erfüllte ihn die Gewissheit, dass er durch die Hand dieses Mannes sterben würde. Es gab nichts, was er dagegen tun konnte, außer sich seinem Los beherzt zu stellen. Auf der anderen Seite würde ihn so viel himmlische Pracht erwarten.
Ein Anflug von Kraft kehrte in seine Beine zurück. Er stand auf. »Ich habe nicht, wonach Sie suchen.« Unwillkürlich zuckte er in Erwartung der Kugel zusammen.
Der Fremde trat vor und packte ihn am Arm. »O nein. Nicht hier. Sie kommen mit mir nach draußen und werden dabei keinen Mucks von sich geben. Wenn uns einer Ihrer neuen Freunde sieht, töte ich ihn, verstanden?«
Hayden nickte. Quinn führte ihn auf den dunklen Flur. Nur der schmale Strahl einer Stabtaschenlampe, die der Mann aus der Hosentasche hervorgeholt hatte, erhellte ihren Weg.
Hayden fragte sich, wie der Fremde ihn bei all den unzähligen Gängen und Räumen der vier Gebäude der Liegenschaft gefunden hatte. Vielleicht hatte er gar nicht speziell nach ihm gesucht, sondern sich einfach willkürlich für eine Zelle entschieden. Es schien zumindest möglich. Jedenfalls hoffte Hayden, als er durch eine Nebenpforte hinaus in die frostige Nacht geführt wurde, dass er Gelegenheit erhalten würde, es herauszufinden.
Tief in seinem Herzen allerdings wusste Ralph Hayden, dass er nie in dieses Gebäude zurückkehren würde.
Kapitel Siebenundzwanzig
»Ich würde sagen, wir waren uns beide einig«, erklärte Josh und trank einen weiteren Schluck Cola. Nathan vermutete, sein Freund hätte lieber einen Sechserpack Bier statt Limonade als Begrüßungsgeschenk in die Kirche mitgebracht, aber Josh kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Nathan nie etwas Stärkeres als schwarzen Kaffee trank. Auf den Geschmack von Bier und Wein war Nathan nie gekommen, was er auch gar nicht wollte. Sie saßen zusammen in der kleinen Küche. Im angrenzenden Kirchenschiff herrschten Dunkelheit und Stille.
Dienstagabend, das Ende seines ersten vollwertigen Tages als Pastor. Als Hayden noch da gewesen war, hatte seine Gegenwart nie überwältigend gewirkt, nun jedoch fühlte der Ort sich verwaist an, als trauerte das Haus angesichts seiner Abreise.
Josh hatte früher angerufen, um sich zu erkundigen, ob Nathan mit »Kirchenkram« beschäftigt sei. Nathan hatte ihn eingeladen und sich auf den Besuch gefreut, allerdings auch ein wenig Beklommenheit verspürt. Sobald er den Anruf angenommen hatte, wollte er in den Hörer brüllen: Warum hast du mir nichts von dir und Elizabeth erzählt? Zugleich hatte sich wieder jenes Gefühl vom vergangenen Samstag in seine Magengrube eingenistet. Am Telefon hatte er es sich verkniffen, aber das Thema musste bereits früh während Joshs Besuch angesprochen werden. Wenn es zu sonst nichts diente, würde es vielleicht helfen, den Dämon der Eifersucht auszutreiben, der sich ständig über Nathans Schulter beugte – oder in seinem Magen aufkeimte, je nachdem.
»Weißt du, ich finde, du hättest es mir sagen können.«
»Ja, da hast du wohl Recht. Unlängst im Laden wollte ich es schon ansprechen, aber ...« Er ließ den Satz unvollendet verklingen, trank einen Schluck und zuckte mit den
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