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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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und rollte vor dem Blazer an den Randstein. »Außerdem«, fügte er hinzu, »werde ich gerade abgeholt, und im Kloster werden allzu viele materielle Dinge nicht gern gesehen. Zu viel Ablenkung.«
    Tarretti nickte. »Das Kloster in Leicester?«
    »Genau das.«
    Der Mann, der aus der Limousine stieg, wirkte jünger als Nathan und trug eine braune Kutte mit einer Kordel um die Mitte. Die Aufmachung des Mönchs bildete einen harschen Kontrast zur modernen Welt. Er stellte sich als Bruder Armand vor. Nach einer flüchtigen allgemeinen Begrüßung ging er dazu über, Haydens Gepäck in den Kofferraum der Limousine zu laden. Vincent und Nathan halfen ihm dabei, und als der Kofferraumdeckel geschlossen wurde, saß Hayden bereits auf dem Beifahrersitz.
    Er ließ das Fenster herunter und schüttelte ihnen beiden nacheinander die Hand. Bruder Armand nahm hinter dem Lenkrad Platz und startete den Motor.
    »Pass gut auf die Gemeinde auf, Pastor«, sagte Hayden. »Es gibt nichts Wichtigeres als sie.«
    »Versprochen, Herr Pastor. Alles Gute.«
    »Vince ...«
    »Auf Wiedersehen. Es war mir immer ein Vergnügen. Falls Sie irgendetwas brauchen, geben Sie mir einfach –«
    Aber Hayden hatte bereits den Fensterknopf gedrückt, und plötzlich befand sich Glas zwischen ihnen. Tarretti und Nathan beobachteten, wie die blaue Limousine vom Randstein fuhr und schauten ihr nach, bis sie um eine Ecke bog und außer Sicht geriet.
    Vincent hatte aufmerksam auf das Gewicht des Gepäcks des alten Mannes geachtet und die Macht zu erfühlen versucht, an die er sich aus ferner Vergangenheit erinnerte. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass der greise Pastor mit etwas Bedeutenderem als Socken und Unterwäsche abreiste. Das Grab war nicht geöffnet worden; er hatte den Wecker eigens auf drei Uhr morgens gestellt, um das zu überprüfen. Johnson hatte er, sehr zum Missfallen des Hundes, zu Hause gelassen. Still und heimlich war er über das Friedhofsgelände und in den Wald geschlichen, unbemerkt von etwaigen Beobachtern, die in der Nähe postiert sein mochten, um ihn im Auge zu behalten. Vincent hatte fast eine Stunde gebraucht, um den Friedhof an der Greenwood Street über seine sorgsam geplante Route durch die Seitengassen von Hillcrest zu erreichen. Erst, als er an seinem Ziel eingetroffen war, hatte er gewagt, die Taschenlampe aus seinem Rucksack einzuschalten, um jede Einzelheit rings um das Grabmal in Augenschein zu nehmen. Alles hatte unangetastet gewirkt; lediglich kleine Scharrspuren von einem Erdhörnchen oder einer Maus hatte er entdeckt.
    Nun betrachtete er mit einem Seitenblick Nathan Dinneck, dem Vincents Schweigen Unbehagen zu bereiten schien. Offensichtlich wollte der Priester in die Kirche gehen und seinen ersten offiziellen Tag im Amt beginnen. Vincent hatte siebenundzwanzig Jahre lang geschwiegen, war mehr als die Hälfte seines Lebens vorsichtig, ständig auf der Hut gewesen. In diesem Augenblick hätte er den jungen Burschen am liebsten gepackt, geschüttelt und gefragt, ob er derjenige war, der ›Priester‹, der den verschollen geglaubten Inhalt der Bundeslade an einen neuen, sichereren Ort bringen würde. Doch siebenundzwanzig Jahre, in denen er zwischen den Grabsteinen der Friedhöfe der Stadt gewandelt war, in denen er sich wie ein Chamäleon in den Hintergrund gefügt hatte, um nie Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zügelten seine Zunge. Stattdessen starrte er Dinneck weiter an, bis dieser das Schweigen brach.
    »Tja, ich schätze, ich sollte jetzt reingehen. Auf mich wartet jede Menge Arbeit.« Mit einem nervösen Lachen begann er, die Hand auszustrecken, zog sie jedoch zurück, als er erkannte, dass die Geste nicht erwidert würde. Schließlich zwang sich Vincent, zu blinzeln und den Blick von seinem Gegenüber abzuwenden.
    »Ja«, sagte er, »auf mich auch.« Damit ging er zu seinem Wagen. »Rufen Sie mich an, falls Sie etwas brauchen.«
    »Mach’ ich.«

Kapitel Sechsundzwanzig
    Die Stille der Nacht durchdrang alles. Seine Zelle, den Flur draußen. Unbehaglich verlagerte Ralph Hayden das Gewicht auf der Pritsche. Die Dunkelheit war so allumfassend, dass er die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Dreißig Jahre lang hatten die Geräusche des nächtlichen Verkehrs auf der Dreyfus Road, das gelegentliche Bellen eines Hundes und die Stimmen von an der Kirche vorbeischlendernden Fußgängern den Hintergrundlärm seines Lebens gebildet. Das und die Laute der extradicken Matratze, die nun vermutlich Nate Dinneck verwendete.

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