Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
gerichtsmedizinischen Flügel vom Rest des zwölften Stocks trennt, und ging einen Korridor mit Büros rechts und Laboren links entlang. Mikrobiologie. Histologie. Anthropologie-Odontologie.
Während ich in Chicago war, waren Fensterrahmen, Bücherregale, Schranktüren und Kühlschränke umgestaltet worden. Jeder Arbeitsbereich verriet den weihnachtlich-kitschigen Geschmack des Dekorateurs. Girlanden aus Plastiktannennadeln. Spitzendeckchen, die aussahen wie Schneeflocken. Père Noël mit seinem Geschenkesack, dem Rentier und dem Schlitten.
Mein Schreibtisch war vollgestapelt, und mein Telefon blinkte. Ich ignorierte das hysterische rote Lämpchen, steckte meine Handtasche in eine Schublade und ging in den Umkleideraum.
Nachdem ich geduscht und Laborkluft angezogen hatte, kehrte ich ins Labor zurück, um Fallformulare, Greifzirkel und ein Klemmbrett zu holen. Dann nahm ich einen anderen Aufzug, der dieselben beschränkten Ziele hatte: LSJML, Coroner und Leichenhalle.
Im Keller erstreckt sich hinter einer weiteren Sicherheitstür ein schmaler Gang über die ganze Länge des Gebäudes. Links sind ein Röntgenraum und vier Autopsiesäle, drei mit je einem Tisch, einer mit zwei. Rechts sind Trockengestelle, Computerterminals und Wannen auf Rädern und Karren zum Transport von Proben in die verschiedenen Abteilungen ganz oben.
Durch ein kleines Fenster in jeder Tür konnte ich sehen, dass auch hier unten nichts passierte. Keine Polizeifotografen, keine Autopsietechniker, keine Pathologen. Einige der Anschlagtafeln waren geschmückt wie die Labore oben.
Die besinnliche Zeit, dachte ich bedrückt und wünschte mir, ich wäre zu Hause bei Katy und Birdie.
Ich ging direkt in den salle d'autopsie Nummer vier, meinen salle mit einer speziellen Ventilation für Verweste, Wasserleichen, Mumifizierte und andere Stinker.
Wie auch die anderen drei hat Autopsiesaal Nummer vier eine Doppeltür in den Lagerbereich, der in Kühlfächer unterteilt ist. Kleine, weiße Kärtchen zeigen die Anwesenheit von zeitweiligen Bewohnern an.
Doch ich musste gar nicht dort hinein. Das Oka-Opfer lag auf einer Rollbahre, die in meinem Saal neben der Tür stand. Unter dem Leichensack lugten Formulare heraus.
Ein schneller Blick zeigte mir, dass man den Überresten bereits LSJML- und Leichenhallennummern zugewiesen hatte, und dass Hubert die Anfrage für ein Anthropologiegutachten ausgefüllt hatte.
Ich fing damit an, dass ich die relevanten Daten in mein Anthropologieformular übertrug. Numéro de morgue: 38107. Numéro de LSJML: 45736. Enquêteur: Lieutenant-détective Andrew Ryan, Section de crimes contre la personne, Sûreté du Québec. Nom: Inconnue. Unbekannt.
Zum Schluss schrieb ich das Datum und eine kurze Zusammenfassung der Fakten.
Dann warf ich das Klemmbrett auf die Arbeitsfläche, holte mir eine Kamera und schaute nach, ob der Akku auch geladen war. Als Nächstes griff ich mir eine Plastikschürze aus einer Schublade und Handschuhe aus einer anderen und zog beides an. Derart ausstaffiert schob ich die Rollbahre neben den Edelstahltisch, der in der Mitte des Raums mit dem Boden verschraubt war.
Als Vorsichtsmaßnahme fotografierte ich den Leichensack zuerst geschlossen und dann mit offenem Reißverschluss, so dass der Inhalt zu sehen war. Auch BH und Schlüpfer waren zu sehen, sie steckten zusammengelegt in einer Ecke.
Ich schaute mir die Etiketten der Unterwäsche an, aber der Druck war so verblasst, dass nichts mehr zu entziffern war. Nachdem ich Taillen- und Brustumfang gemessen und noch ein paar Fotos geschossen hatte, breitete ich die Kleidungsstücke auf der Arbeitsfläche aus.
Nach diesen Präliminarien fing ich an, das Skelett anatomisch korrekt auf dem Untersuchungstisch anzuordnen. Da ich bereits vor Ort ein Knocheninventar gemacht und linke und rechte Seite gekennzeichnet hatte, ging das sehr schnell, bis ich zu den Fingern und Zehen kam. Da die Identifikation dieser Knochen so entsetzlich mühselig ist, hatte ich sie nur gezählt und in Tüten gesteckt.
Ein normaler, erwachsener Mensch hat sechsundfünfzig Finger- und Zehenglieder. Die Daumen und die großen Zehen haben jeweils zwei Knochen, den proximalen und den distalen. Alle anderen haben drei, den proximalen, den mittleren und den distalen.
Zuerst trennte ich Hände von Füßen. Ein Kinderspiel bei le premiers. Die Knochen der großen Zehen sind charakteristisch geformt und kräftiger als die der Daumen.
Das Gegenteil trifft auf Zeige-, Mittel-, Ring- und
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