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Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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nach Norden und dann auf dem Highway 640 nach Westen fuhr, beobachtete ich, wie die verdichtete großstädtische Bebauung identischen Vorstadthäusern auf identischen Gartenstücken Platz machte und die wiederum der schneebedeckten offenen Landschaft. Gelb fleckte den Horizont, dann sickerte Grau in das Schwarz des Himmels.
    Fünfundvierzig Minuten, nachdem ich meine Wohnung verlassen hatte, bog Ryan auf den Chemin Oka ein. Die Sonne war inzwischen eine tiefhängende weiße Scheibe. Laublose Bäume warfen lange, verschwommene Schatten auf Felder und Asphalt.
    Augenblicke später fuhren wir durch den Haupteingang des Parks. Gleich hinter dem Tor erhob sich ein kleines Steingebäude, der Poste d'accueil Camping – das Camping-Begrüßungscenter. Eine gelbe Raute zeigte eine Schildkröte, eine Eidechse, einen Frosch und eine Schlange als schwarze Silhouetten.
    Zwanzig Meter hinter dem Parkeingang stand ein Streifenwagen der SQ mit laufendem Motor auf dem gegenüberliegenden Bankett, Rauchschwaden quollen aus seinem Auspuff.
    Ryan wendete und hielt hinter dem Streifenwagen. Der Fahrer des Streifenwagens stellte einen Styroporbecher aufs Armaturenbrett, zog Handschuhe an und schwang sich aus dem Auto. Er trug eine olivgrüne Jacke mit schwarzem Pelzkragen, einen dunkelgrünen Schal und eine olivfarbene Kappe mit hochgebundenen Ohrenklappen. Auf seinem Namensschild stand Halton.
    Ryan ließ das Fenster herunter und zeigte seine Marke. Halton schaute sie flüchtig an und bückte sich dann, um mich zu mustern.
    Ich hielt meine LSJML-Karte in die Höhe.
    Halton zeigte auf den Wald und sagte dann auf Französisch: »Nehmen Sie die Forststraße, die am Rand des Parks entlangführt. Die Party steigt am Flussufer.«
    »Was für ein Fluss?«, fragte ich.
    »Rivière aux Serpents.« Halton grinste. »Die kleinen Mistkerle dürften zu dieser Jahreszeit schlafen.«
    Ryan fuhr vom Bankett wieder auf die Straße und beschleunigte. Unsere Reifen knirschten über eisigen Kies. Hinter uns, auf der anderen Seite des Highways, dominierte Le Calvaire d'Oka die Landschaft. Ich bin einmal den Pfad bis hinauf zum Gipfel gewandert. Es ist eine Art Kreuzweg durch den Wald, der sich fünf Kilometer bis zu einer Ansammlung von Kapellen aus dem 18. Jahrhundert hochwindet. Die Aussicht ist eine Klasse für sich.
    Der Giftefeu ebenfalls. Noch Wochen später nervten mich juckende und nässende Pusteln.
    »Vorfahrt für Reptilien?« Ryans lahme Witze deuteten da-
    rauf hin, dass ihm nicht wohl war in seiner Haut. »Und Amphibien«, sagte ich.
    Ryan schaute mich an.
    »Das Schild stellt Herpetofauna dar. Dazu gehören auch Amphibien.« Es war viel zu früh für eine Biologiestunde.
    »Was ist der Unterschied?«
    »Amniotische Eier.«
    »Gerührt sind sie mir lieber.«
    »Reptilien können sich außerhalb des Wassers fortpflanzen.«
    »Was für ein Durchbruch. Wann ist das passiert?«
    »Vor über dreihundert Millionen Jahren.«
    »Man sollte meinen, dass sie in der Zeit ein paar Verkehrsregeln gelernt haben.«
    Ich zog es vor, nicht zu antworten.
    Wir fuhren auf einer schmalen Straße, an deren Rändern sich der von Pflügen beiseite geräumte Schnee türmte. Um uns herum ragten Bäume wie hohe, nackte Wächter in die Luft.
    Das Gefälle wurde stärker, als wir uns dem Fluss näherten.
    Kurz darauf sah ich das Ufer. Am Wasserrand stand die übliche Ansammlung von Fahrzeugen: ein zweiter Streifenwagen, ein schwarzer Transporter, ein blauer Laster der Spurensicherung.
    Eine uniformierte SQ-Beamtin winkte uns zu sich. Auf ihrem Namensschild stand Naveau. Wieder die herzliche Gesetzeshüter-Begrüßung.
    Wir zeigten unsere Ausweise. Naveau sagte Ryan, er solle an der Rückseite eines rustikalen Holzbaus parken, der wahrscheinlich eine Wärmehütte für Skilangläufer war.
    Ryan tat es, dann setzten wir beide Kappen auf und stiegen aus dem Jeep. Die Sonne stand inzwischen höher, Baumstämme und Äste warfen unscharfe Schatten. Die Luft war so kalt, dass sie sich kristallin anfühlte.
    Gute Nachricht. Ein Plastikzelt war über der Stelle aufgebaut worden, die, wie ich vermutete, die Leichenhündin Étoile interessiert hatte. Seitlich davon lag ein Haufen frisch weggeschaufelter Schnee.
    Ich kannte die Szenerie von einer Exhumierung, die ich vor Jahren in einem Innu-Reservat in der Nähe der Stadt Sept-Îsles gemacht hatte. Damals hatte die Tiefsttemperatur minus 34 Grad Celsius betragen. Ich wusste, dass in dem Zelt ein tragbares Heizaggregat Luft durch

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