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Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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geriffelte Schläuche pumpte, um den Innenraum zu erwärmen und den Boden aufzutauen.
    Vor dem Zelt standen vier Männer. Zwei trugen Overalls und Jacken mit demselben Logo wie der Spurensicherungslaster. Service de l'identité judiciaire. Division des scènes de crime.
    Einer trug einen schwarzen Kanuk-Parka, ähnlich meinem eigenen himmelblauen. In dem dick gefütterten Anorak sah Joe Bonnet, mein neuer Labortechniker, aus wie ein Marshmallow am Stiel. Sein Kopf war zum Glück von einer Zipfelmütze bedeckt. Er glaubte, dass er mit platinblonden, hochgegelten Haaren aussehe wie ein Punk. In meinen Augen sah er einfach nur trottelig aus, vor allem, da er rasant auf die Vierzig zuging. Aber ich sagte nichts.
    Joe war sehr kompetent in seiner Arbeit, aber auch zartbesaitet. Und bedürftig. Es reichte nicht, sich Tadel oder Kritik zu verkneifen. Bei Joe musste man beständig loben und bestätigen. Ich mag keine Weicheier. Die meisten Leute wissen und akzeptieren das. Joe kapierte es einfach nicht.
    Selbstverständlich hatte es bereits Wutausbrüche und Schmollphasen gegeben. Auf seiner Seite, nicht auf meiner. Auch im Waffenstillstand waren wir wie zwei einander fremde Haustiere, die man gemeinsam bei Großmutter abgeladen hatte. Immer auf der Hut, immer die Laune des anderen erschnuppernd.
    Ist zum Teil meine Schuld. Es war zwar bereits zwei Jahre her, aber ich ärgerte mich noch immer über den Verlust meines langjährigen Assistenten Denis. Warum geht man eigentlich in Rente?
    Der vierte Mann trug einen Mantel, der sich deutlich über seinen mächtigen Bauch spannte. Jean-Claude Hubert, Chief Coroner der Provinz Quebec.
    Hubert watschelte in unsere Richtung. Sein Gesicht war sehr rot, seine Lippen sehr aufgesprungen.
    »Detective Ryan. Dr. Brennan.« Huberts Akzent klang nach weiter oben am Fluss, vielleicht Quebec City. »Danke, dass Sie so früh gekommen sind.«
    »Worum geht's?« Das Wichtigste wusste ich bereits, aber ich wollte Huberts Version hören.
    »Ein Knastvögelchen zwitschert über eine Frau, die seit zwei Jahren vermisst wird.«
    »Florian Grellier«, sagte Ryan Hubert nickte. Über seinem Schal wogten drei Kinne. »Das Opfer war Christelle Villejoin. Grellier sagt, sie sei ermordet und hier vergraben worden.«
    »Ermordet von wem?«, fragte Ryan.
    »Er behauptet, das wisse er nicht.«
    »Und wie kam Monsieur Grellier zu dieser Information?«
    »Sagt, er habe in einer Bar einen Kerl kennengelernt. Schwört, dass er den Namen des Kerls nie gehört und ihn auch nicht mehr gesehen hat, seit sie an diesem Abend gemeinsam Schnäpse kippten.«
    »Wann war das?« Ryan.
    »Irgendwann im letzten Sommer. Grellier ist da ein bisschen vage.«
    »Haben Sie ihn hier?«
    »Nein. Er hat uns gute Orientierungspunkte genannt, die Straße, die Wärmehütte, den Fluss. Wir haben eine Kadaverhündin über das Gelände geführt, und sie hat angeschlagen.«
    Hubert deutete mit einem Fäustling in die Richtung des Zelts. »Der Hundeführer sagt, die Chance, dass da drüben jemand in der Erde liegt, steht bei neunzig Prozent.«
    »Ziemlich präzise Angaben für eine alkoholisierte Erinnerung«, sagte ich.
    »Ja.« Hubert blies Luft durch die Lippen. Sie brauchten dringend einen Labella.
    »Was haben Sie bis jetzt getan?«
    »Die Umgebung gesichert, Fotos geschossen, Schnee weggeräumt, das Zelt aufgestellt. Der Heizlüfter läuft seit gestern, der Boden sollte also inzwischen aufgetaut sein.«
    »Bon«, sagte ich. »Dann gehen wir's an.«
    Hubert hatte recht. Der Boden war weich genug zum Graben. Und noch etwas spielte uns in die Hände. Die menschliche Natur. Der Täter hatte, weil er zu faul oder zu nervös war, sein Opfer nur knapp fünfzig Zentimeter tief begraben.
    Um eins hatten Bonnet und ich das gesamte Skelett freigelegt. Die meisten Knochen hatten wir an Ort und Stelle belassen. Diejenigen, die wir beim Durchsieben der Erde gefunden hatten, steckten jetzt in Beweismitteltüten.
    Ich hatte ein Inventar erstellt und alles detailliert beschrieben bis auf die Finger- und Zehenglieder. Die zählte ich nur.
    Ein Schädel, komplett mit allen einundzwanzig Hirnschalenknochen und den sechs des Innenohrs. Ein Unterkiefer. Ein Zungenbein. Ein Brustbein. Zwei Schlüsselbeine. Zwei Schulterblätter. Vierundzwanzig Rippen. Vierundzwanzig Wirbel. Ein Kreuzbein. Ein Steißbein. Sechs Armknochen. Sechs Beinknochen. Zwei Hüftbeine. Zwei Kniescheiben. Sechzehn Handwurzelknochen. Zehn Mittelhandknochen. Vierzehn Fußwurzelknochen.

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