Das Grab - Roman
hatte es gewusst.
Auf dem Rücksitz seines Wagens zog sich Melvin aus. Er zwängte sich in seinen ölverschmierten Overall und zog den Reißverschluss hoch. Dann quetschte er seine nackten Füße in die alten Lederschuhe, die er so gerne bei der Arbeit trug.
Er stieg aus, öffnete den Kofferraum und nahm sein Montiereisen heraus. Es war an einem Ende ein Schraubenschlüssel und am anderen ein Stemmeisen und fühlte sich vertraut und angenehm schwer in seiner Hand an. Er schloss den Kofferraumdeckel.
Als er zum Haus ging, schwang er das Montiereisen und schlug es in seine linke Hand.
Die Schlampe mach ich alle, dachte er. Diese dreckige, verlogene Nutte.
Er konnte die Bilder vor seinem inneren Auge nicht ausblenden. Wie sie sich an die Brust dieses Bastards geschmiegt hatte. Wie sie ihn geküsst hatte. Und wie die Hände des Kerls sich über ihren Rücken bewegt hatten, als würde sie ihm gehören .
Diese Bilder machten ihn krank. Er hatte das Gefühl, als würden sich kalte Hände in seine Eingeweide krallen.
Das wird ihr leidtun. Das wird ihr sehr leidtun.
Melvin lief am Haus entlang zur Rückseite. Die Fenster nach hinten waren dunkel. Die Veranda, im fahlen Mondlicht vage auszumachen, war eine graue Fläche aus Beton mit ein paar Gartenstühlen und einem Grill.
Die Fliegengittertür war nicht abgesperrt. Sie quietschte, als er sie aufzog. Er schob den Rücken dazwischen, damit sie nicht zufiel, und probierte den Knauf der inneren Tür aus massivem Holz. Abgeschlossen.
Wo er das Schloss vermutete, rammte er das flache Ende des Montiereisens in den Spalt zwischen Tür und Türpfosten. Er stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Eisenstange. Das Holz knirschte, splitterte und wölbte sich nach außen. Er schob das Stemmeisen tiefer in den Spalt, bewegte es vorsichtig hin und her, stieß es noch tiefer und spürte, wie die Stahlfalle des Schlosses nachgab.
Die Tür schwang auf.
Er zog langsam die Fliegengittertür hinter sich zu und trat über die Schwelle. Die Küche lag im Dunkeln, abgesehen von einem schwachen Lichtschimmer, der durch die offen stehende Tür zum Flur sickerte.
Er lauschte. Er hörte nur das Hämmern seines Herzschlags.
Als er einen Schritt machte, schlurfte seine Sohle laut über den Boden. Er kauerte sich nieder, knotete die Schnürsenkel auf und stieg aus den Schuhen. Das Linoleum war kühl und glatt unter seinen schwitzenden Füßen.
Er holte tief Luft. Er fühlte sich angespannt, kalt und zittrig. Wenn er nur ruhiger werden könnte.
Ruhiger werden und das Kommende genießen.
Er wünschte die Erregung, den Nervenkitzel, den er gespürt hatte, als er sich all die anderen geschnappt hatte.
Doch es ging nicht. Es tat zu weh.
Sie hatte ihm wehgetan.
Jetzt wirst du dafür bezahlen. Von dir lässt sich ein Melvin Dobbs nicht verarschen.
Leise bewegte er sich auf den Lichtschimmer zu.
»Stimmt was nicht?«, fragte Jack und blieb hinter ihr stehen. Sie fühlte den leichten Druck seines Körpers auf Rücken und Hintern. Er legte seine Hände auf ihre Hüften. Sein warmer Atem bewegte ihr Haar und ließ ihre Kopfhaut kribbeln.
»Es … geht alles furchtbar schnell.«
»Das muss es nicht.«
»Ich weiß. Ich war diejenige, die vorgeschlagen hat …«
»In der Hitze des Augenblicks.«
»Ja. Ich hab mich wohl ein bisschen hinreißen lassen.«
Seine Hände glitten zu ihrem Bauch. Sie beschrieben kleine Kreise und rieben sanft die Bluse gegen ihren Körper. Vicki hatte das Gefühl, als fließe warmes Öl über ihre Haut. Sie streichelte seine Handrücken, seine Handgelenke und Unterarme.
»Sollen wir wieder runtergehen?«, fragte er.
»Ich weiß nicht«, flüsterte sie.
Sie musste daran denken, wie sehr sie es später bedauert hatte, an jenem Morgen vor so langer Zeit auf dem Floß nicht mit Paul geschlafen zu haben. Es war ihre letzte Chance gewesen, und sie hatte sie verpasst. Es hatte andere Männer gegeben … ein paar … aber sie hatte keinen von ihnen geliebt.
Liebe ich Jack?, fragte sie sich. Das ist die alles entscheidende Frage, oder?
Sie wusste, dass sie ihn gernhatte, dass sie ihn begehrte. Aber war es Liebe?
Die Gefühle, die sie für Paul empfunden hatte, waren einfach nicht da – die Intimität, das Mysterium der Liebe, die schreckliche Sehnsucht, wenn sie nicht zusammen waren. Aber vielleicht fühlt man das nur einmal im Leben. Vielleicht erlebte man so etwas nur ein einziges Mal, und das war mit Paul gewesen.
Sie hatte sich geweigert, sich mit
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