Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
erklärte Herr Schweitzer verdrießlich. „Um ein Haar hätte uns gestern die Taxifahrerin rausgeschmissen.“
Schmidt-Schmitt drehte die Tasche in seinen Händen. „Okay, vielleicht nicht unbedingt der letzte Schrei. Hajo?!“
Hajo: „Ich bin der Neue. Und Neue sollten mit ihrer Meinung vorsichtig sein.“ Angelegentlich begutachtete er seine Fingernägel.
„Also würdest du Simon zustimmen …“
„Lass es mich so ausdrücken: Wenn ich eine Frau suchen müsste, deren Erkennungsmerkmal eine Handtasche wie diese wäre, ich ginge zuerst auf den Friedhof. Witwen, die Gräber von Männern begießen, die es vor lauter Schande nicht mehr ausgehalten haben.“
„So schlimm?“ Schmidt-Schmitt schüttelte den Kopf. „Warum hast du vorher nichts gesagt, Hajo?“
„Ich bin der Neue.“ Mit den Händen fuchtelte er in der Luft herum.
„Der Vorschlag kommt von Maria. Wie wär’s, wenn ihr das technische Gerät in einem kleinen Rucksack, so wie ihn heute fast jeder hat, unterbringt?“
„Okay, gebongt. Bringen wir dir heute noch vorbei. Ach, Mist, jetzt hab ich’s im Auto vergessen. Ich habe dir nämlich Doras Giftbuch mitgebracht. Nur gucken, nicht ausprobieren.“ Schmidt-Schmitt drohte mit gerecktem Zeigefinger.
„Versprochen. Obwohl, wenn die mich doch noch als Kochbeim G8-Gipfel einstellen …“, scherzte Herr Schweitzer
attac
-affin.
Buchsbaum – Erbrechen, Krämpfe, Tod. Hortensien sind hochgiftig wegen ihrer Blausäureverbindungen. Vergiftungen mit den Beeren der schwarzen Tollkirsche nehmen in den Statistiken der Giftnotzentralen eine führende Rolle ein. Herbstzeitlose: Je nach Dosis kann es vor allem bei Kindern bis zum Tod durch Atemlähmung kommen
.
So ging es in einem fort weiter. Herr Schweitzer schnalzte mit der Zunge. Bei fast jeder Abbildung hatte er das Gefühl, die Pflanze schon einmal in der freien Natur oder in Gärten gesehen zu haben. Einige davon konnten auch als Rauschmittel verwendet werden. Allerdings bestand hierbei die recht unlustige Gefahr der tödlichen Überdosierung, was ihn davon abhielt, sich eingehender mit dem Thema zu befassen. Er würde es weiterhin beim Marihuana belassen. Schuster, bleib bei deinen Leisten, sagte er sich. Bei extrem stark dosierten Joints konnte es zwar passieren, dass einem der Löffel, mit dem man gerade seinen Pudding aß, aus der Hand rutschte. Doch bei einigen dieser Giftpflanzen gab man den Löffel gleich ganz ab. Oder biss ins Gras – da rauchte es Herr Schweitzer doch lieber. Bevor es in unschuldige Kinderhände geriet …
Herr Schweitzer klappte das Buch zu und sah sich in Marias Garten um. Giftpflanzen erkannte er keine. Aber er war auch kein Experte und hatte auch nicht vor, einer zu werden. Das Ganze war eine Wissenschaft für sich. Aber schön zu wissen, sinnierte er, dass es Alternativen zu Krach verursachenden Knarren, Kraft kostenden Baseballschlägern und Sauereien veranstaltenden Messern gab. Wer weiß, wozu man dieses Wissen mal benötigte, das Leben war ja noch lang. Versonnen besah sich Herr Schweitzer den Buchtitel und prägte ihn sich ein. Da fiel ihm das Lesezeichen auf, das noch auf dem Hängemattenbeistelltisch lag. Kinopolis, las er, und Skyfall. Er steckte es wieder zum Kapitel über den Blauen Eisenhut.
Und dachte an Dora Rutke, der das Buch gehörte. Schade,dass ihre Fingerabdrücke nicht auf der Cointreau-Flasche mit dem giftigen Inhalt waren. Der Fall wäre um einiges leichter aufzuklären gewesen. Eine Frau, die ihre Liebhaber tötet. Ihm fielen die Spinnen ein, die ihre Paarungspartner nach dem Geschlechtsakt auffraßen. Die Natur konnte ganz schön grausam sein. Wie würde Maria ihn selbst verspeisen? Herr Schweitzer, zu üppigen Steaks verarbeitet, zartbraun angebraten, garniert mit Petersilie und einer schmackhaft zubereiteten Sauce hollandaise? Ein Gedanke, der ihm gar nicht schmeckte. Er verscheuchte ihn. Stattdessen schloss er die Augen und ersetzte sich durch ein richtiges Rindersteak. Schon besser. Vor lauter Vorfreude auf ein weiteres Abendmahl auf Staatskosten sandte sein Magen ein leises Knurren an die Oberfläche. Mit erbaulichen Gedanken an eine Welt voller kulinarischen Glücks schlummerte Herr Schweitzer ein.
Michael Schmidt-Schmitt hatte Wort gehalten. Ein kleiner schwarzer Rucksack hatte die Stelle der unsäglichen grünen Handtasche eingenommen.
„Na, wie findest du die neueste Kreation unserer Techniker?“, fragte er, nachdem er auf Marias Couch Platz genommen hatte. „Und guckst du,
Weitere Kostenlose Bücher