Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
praktisch, Schatz“, begann Maria. „Guck mal, das Irisch-Grün der Tische und Stühle harmoniert prächtig mit deiner Handtasche.“
Herr Schweitzer grummelte etwas Unverständliches und versuchte verkrampft, die Handtasche zwischen Unterarm und Bauch vor neugierigen Blicken zu schützen. Dann steuerte er auf den Tisch zu, der laut Schmidt-Schmitt am nächsten zum noch leeren Stammtisch der Clique platziert war.
Nachdem sie sich gesetzt hatten, drapierte Herr Schweitzer flugs das krokodilgrüne Objekt von Marias Lästereien mitten auf den Tisch, so dass der Besitzer des archäologischen Ausstellungsstücks nicht auszumachen war. Besser noch, jeder würde es automatisch Maria zuordnen. Kein Mensch käme auf die Idee, dieses potthässliche Stück Zeitgeschichte im Besitz eines seriösen Mittfünfzigers zu vermuten.
Maria schmunzelte ob ihres Liebsten Taktik. „Warum habt ihr denn nicht was anderes genommen, wenn dir das Ding so peinlich ist? Einen kleinen Rucksack zum Beispiel.“
„Genau das werde ich morgen auch vorschlagen. Momentan brauen sich nämlich über Mischa ganz, ganz finstere Mächte zusammen. Eine Handtasche aus Krokodilleder – die Knilche von der Frankfurter Kripo gehören doch allesamt in Ausnüchterungszellen!“ Herr Schweitzer hatte sich immens in Rage geredet. „Genau! Ausnüchterungszellen! Und da der Abend auf Staatskosten geht, halte ich es heute wie Heinz Schenk in seinen besten Tagen.“
„Und verrätst du mir auch, wie es unser Frankfurter Original so gewöhnlich gehalten hat?“
„Klar. Lieber blau als gar kein Bock“, dozierte Herr Schweitzer vergnüglich. „Die ersten Ebbelwoi gehören zur normalen Verpflegung. Was danach kommt, ist Schadensersatz.“
(Für die jüngere und ausländische Leserschaft: Der Blaue Bock war vor langer, langer Zeit mal eine Kultsendung im Hessen-TV.)
„Für die Handtasche?“
„Exakt.“
„Guter Plan, mein lieber Simon. Ich werde mich dem anschließen. Muss schon Jahre her sein, dass ich das letzte Mal einen in der Krone hatte.“
Nun war
mein lieber Simon
doch sehr erstaunt. Seine Freundin hatte sich in den letzten Jahren so gut wie nie betrunken.
Wie dem auch sei, Herr Schweitzer bestellte sogleich einen 10er-Bembel. Nicht dass sich der etwas ältliche Kellner noch zu Tode hetzte. Vielleicht wirkte er auch nur alt, der Kellner, bei Iren weiß man das nie so genau. Guinness bereits zur Einschulung hinterlässt halt seine Spuren.
Die ersten zwei Gläser Ebbelwoi waren noch vor der Vorspeise verputzt. Herr Schweitzer hatte sich wieder beruhigt und war guter Dinge. Das Rascheln der Blätter und das milde Abendwetter stimmten ihn versöhnlich. „Hach, ich liebe die Natur“, sprach er, faltete die Hände über seinen Bauch und streckte die Füße aus.
Maria, schlagfertig: „Bei allem, was sie dir angetan hat?“
Herr Schweitzer lächelte, so kannte er seine Freundin. Immerfür einen Blödsinn zu haben. „Na ja, so schlimm kann’s nun auch wieder nicht sein, ansonsten wärst du nicht schon zehn Jahre mit mir zusammen, gelle.“
„Stimmt. Immerhin kann ich mich damit beruhigen“, sie nickte zur Handtasche, „dass das Ding da nicht auf deinem Mist gewachsen ist. So langsam wundert’s mich nicht mehr, warum Mischas Beziehungskisten nie von Dauer sind. Ich möchte nicht wissen, was er seinen Frauen schon alles an Abscheulichkeiten geschenkt hat. Wenn das sein Geschmack ist, dann …“
Die Ersten kamen während der Hauptspeise. Herr Schweitzer hatte die Fotos eingehend studiert und erkannte Manfred Severin, Jürgen Mattuscheit, Holger Rain und Dora Rutke sowieso. Ihre Haare waren noch nicht ganz trocken und allesamt trugen sie luftige Freizeitklamotten. Er drückte den Knopf auf Aufnahme und hoffte, das Richtmikrofon würde mehr verstehen als er. Nicht alles erreichte seine Ohren. Manchmal kamen nur Satzfetzen an, je nachdem, wie laut gesprochen wurde und ob oben auf der Uferstraße gerade ein Laster vorbeifuhr.
Mit einiger Verzögerung tauchte noch Sarah Habsburg auf, das einzige andere weibliche Wesen aus dem inneren Kreis der Clique neben Dora Rutke. Ihre fast schwarzen Haare waren zu einem Zopf gebunden und in ihrem hellgrauen Kostüm hatte es den Anschein, als käme sie direkt aus einer Vorstandskonferenz. Das Tragen hochhackiger Stöckelschuhe war sie offensichtlich gewohnt, denn Sarah Habsburg kostete es keine Mühe, sich damit sicher auf dem Kiesboden zu bewegen. Küsschen verteilend machte sie einmal die Runde, ehe sie
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