Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
ich.“
Die homosexuelle Seite des Herrn Schweitzer
Dramatische Szenen spielten sich am nächsten Abend in Marias Bungalow ab – ähnlich dramatisch wie der Niedergang des Empire –, in deren Verlauf Herr Schweitzer so manche Verwünschung auf das Weibervolk im Allgemeinen ausstieß. Natürlich nur innerlich. Denn irgendwie konnte er es auch nachvollziehen, warum sich seine Liebste derart sträubte.
„Ich sagte: Nein, mein Lieber, nicht für alles Geld dieser Welt laufe ich mit so einer Handtasche rum“, manifestierte Maria ihren Standpunkt. „Erstens laufe ich nie mit einer Handtasche rum, ich bin doch keine Schickse. Und zweitens mit so einer schon gar nicht. Krokodilleder, wenn ich das schon höre! Was würdest du sagen, wenn man
dich
zu einer Handtasche verarbeitet, hä?“
Darauf wusste Herr Schweitzer nur mit der Schulter zu zucken. Die Vorstellung, als verarbeitete Handtasche am Arm eines Mannequins zu baumeln, fand er wenig erstrebenswert und obendrein absurd. Aber was sollte er machen? Die Handtasche musste mit, so oder so. Selbstverständlich hatte er mit Schwierigkeiten dieser Art gerechnet, aber dass sich seine Freundin mit solcher Vehemenz sträuben würde, hatte sich Herr Schweitzer nicht träumen lassen. Er war mit seinem Latein am Ende. Hätte er die Angelegenheit bloß gestern Abend schon zur Sprache gebracht, aber da hatte er sich nicht getraut. Da wäre nämlich noch Zeit gewesen, Schmidt-Schmitt zu verklickern, die Observationsgerätschaftenanderweitig zu tarnen. Weniger auffällig, vielleicht. Krokodilleder war ja nun in der Tat schon lange nicht mehr en vogue, damit musste man zwangsläufig Aufsehen erregen. Und wie schon im Zusammenhang mit schwarzen Lederjacken stellte er sich die Frage, mit welch veraltetem Schulungsmaterial die heutzutage ihre Jung-Bullen aufs Arbeitsleben vorbereiten. Eine Reform des Polizeiwesens wäre echt hilfreich in puncto Verbesserung der Aufklärungsquote.
Es half alles nichts. Mit einem Murren akzeptierte er den Status quo. Herr Schweitzer schulterte die Handtasche, das Taxi wartete.
Und dann machte er auch noch den Fehler, sich auf den Beifahrersitz zu setzen. Die Taxifahrerin fuhr erschrocken zusammen, als sich der offenkundige Sittlichkeitsverbrecher in den Sitz bequemte. Nur gut, dachte sie, dass auch noch eine Frau einsteigt. Die würde eventuell dazwischengehen, sollte es zu sexuellen Übergriffen kommen. Obwohl, fuhr sie in ihren Gedanken fort, der dicke Typ dürfte wohl eher auf Jungs stehen. Oder Transvestiten. Oder etwas noch Perverseres, wobei ihre Vorstellungskraft an ihre Grenzen stieß. Mit zittriger Hand drehte sie den Zündschlüssel.
Herr Schweitzer brauchte gar nicht nach hinten zu gucken, um sich vorzustellen, wie sich seine Liebste köstlich und auf seine Kosten amüsierte. „Zu Anglo-Sports“, würgte er hervor. „Das ist unten bei den Ruderclubs vor der Gerbermühle.“
„Oh“, entfuhr es der Taxifahrerin mit einem Hauch von Erleichterung. „Ist dort heute ein Maskenball?“
Nun konnte Maria nicht mehr an sich halten. Mit einem lauten Prusten verschaffte sie sich Erleichterung. „Ein Maskenball – schön wär’s! Sie müssen wissen, mein Mann läuft immer so rum. Ohne Handtasche, da … da fühlt er sich wie ein Schneehase in der Wüste. Aber heute geht’s noch. Sie sollten ihn sonst mal sehen. In seinem schnieken rosa Minirock und mit Federboa hat mein Liebster schon viele Preise abgesahnt. Stimmt’s, Schatz?“
Herr Schweitzer errötete zu einem Feuerwehr-Rot. Er glühteförmlich. Worte brachte er keine heraus. Ein Felsbrocken in Loreley-Größe versperrte seine Kehle. Wart’s nur ab, Schmidt-Schmitt, kochte er vor Wut, du kannst was erleben, wenn du morgen kommst. Er verspürte nicht übel Lust, die Handtasche samt Inhalt aus dem Fenster zu schmeißen. Das Ganze ging ihm gewaltig gegen den Strich. Noch gerade so eben beherrschte er sich.
Als sie über den Parkplatz schlenderten, wurde ein Vierer aus dem Main gehievt. Locker schulterten die jungen Männer das Boot und schlugen den Weg zum Ruderhaus ein.
Unzählige Flaneure nutzten das schöne Wetter zu einem Abendspaziergang. Eine leichte Nordost-Brise verschaffte ihnen endlich die Linderung, die ihnen der heiße windstille Tag verweigert hatte. Drei Gartenlokale reihten sich wie Perlen auf der Schnur aneinander. Zu unterscheiden fast nur durch Sonnenschirme unterschiedlicher Farbe. Anglo-Sports war das mit der Guinness-Reklame – was auch sonst?
„Das ist aber
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