Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
sich zwischen Dora und Manfred niederließ und nach der Speisekarte griff.
Herr Schweitzer war Profi genug, sich wie ein ganz normaler Gast zu verhalten. Da das Gespräch aufgezeichnet wurde, konnte er sich ungezwungen mit seiner Freundin unterhalten, ohne etwas zu verpassen. Natürlich lauschte er mit einem halben Ohr den Gesprächen am Nachbartisch. Und was er hörte, ging vornehmlich um einen Ruderwettbewerb, der nächstes Wochenende stattfindensollte. Mehrmals fiel das Wort Hessenmeisterschaft. Die Morde standen nicht zur Debatte. Entweder wurden sie bewusst ausgeklammert oder waren in einer schnelllebigen Zeit bereits der Schnee von gestern. Schnee, der als Schmelzwasser schon längst die Nordsee erreicht hatte und von keinerlei Belang mehr war. Herr Schweitzer hatte erwartet, dass die Verhöre durch die Kripo mal Erwähnung finden würden. Aber auch hierbei wurde er enttäuscht. Na ja, sagte er sich, wenigstens ist das Essen im Anglo-Sports ausgezeichnet. Auch die Birne Helene entsprach seinen Anforderungen. Vielleicht würden die nächsten Abende aufschlussreicher sein.
Die drei Jungs gingen zuerst. Jeder stieg in sein eigenes Auto. Dora Rutke und Sarah Habsburg blieben noch ein Viertelstündchen länger. Die Druckkammer stand wohl ausnahmsweise nicht auf dem Nachtprogramm.
Maria: „Ist echt schön hier. Das Anglo-Sports sollten wir uns merken. Der Koch ist garantiert kein Brite.“
Die britische Küche kannte Herr Schweitzer nur von den Asterix-Heften. Und ein heftiges Verlangen nach Rosenkohl mit Pfefferminzsauce hatte ihn in der Tat noch nie heimgesucht. Auf in Essig getränkte
fish and chips
konnte er getrost auch verzichten. „Ich schätze mal, das wird auch ein Inder sein. So wie inzwischen überall. Ist aber eh egal, Hauptsache, es schmeckt.“
Nur zehn Minuten nach Doras und Sarahs Aufbruch ließen sie sich die Rechnung nebst zwei doppelten Cognac kommen. Herr Schweitzer brauchte nur zu quittieren.
Es war Maria, die den Vorschlag unterbreitete, unterwegs noch beim Frühzecher Station zu machen, sie fühle sich noch ungeheuer fit und ganz und gar nicht betrunken. Ihr wackeliger Gang zum wartenden Taxi sprach zwar andere Bände, doch Herr Schweitzer hielt die Klappe. Zumal seine Freundin freiwillig die Handtasche trug. „Nicht dass du wieder den Taxifahrer erschreckst, Schatz.“
Es wurde noch sehr spät an diesem Abend.
Lernfähige Bullen
Herrn Schweitzer fielen fast die Augen aus dem Kopf, als um kurz nach zwei der Oberkommissar mit seinem Assistenten vor der Tür stand. Schmidt-Schmitt trug eine helle Stoffjacke zu einer ebensolchen Hose und seine Füße schmückten leichte blaue Schuhe aus Segeltuch. Das farblich abgestimmte Poloshirt passte wie angegossen. Auch Hajo sah aus wie aus dem Ei gepellt.
„Hab selten so adrette Streifenhörnchen wie euch gesehen. Kommt rein.“ Herr Schweitzer trat einen Schritt zur Seite.
„Da staunst du, was?“, sagte der Oberkommissar in einem forschen Tonfall. „Wir haben uns deinen Vorschlag zu Herzen genommen und die Lederjacken ausgemustert. War gar nicht so einfach, hierfür unserem Vorgesetzten die Kohle aus dem Ärmel zu schütteln. Bevor ich’s vergesse: Was ist eine Blondine zwischen zwei Fans von Kickers Offenbach?“
„Hihi“, lachte Hajo schon mal vorab. Er hatte ihn schon mehrmals an diesem Tag gehört.
„Sag“, sagte Herr Schweitzer. Immer wieder Mischa mit seinen komischen Witzen, dachte er.
„Gar nicht mal sooo doof.“ Er schlug ihm auf die Schulter. „Gut, gelle?“
Herr Schweitzer sagte nichts und verdrehte die Augen zur Decke.
Sie machten es sich in den Korbstühlen auf der Veranda bequem. Der Hausherr servierte Eistee mit Zitronenscheiben. „Mag jemand noch einen Kaffee?“
„Nein danke.“
„Passt schon.“
„Und bevor ich es vergesse“, begann Herr Schweitzer und stellte die Handtasche auf den Tisch, „das Ding hier, das ist ja mal dermaßen was von daneben. Wenn ihr glaubt, das kommt noch einmal zum Einsatz, dann seid ihr auf dem absolut falschen Dampfer.“
Schmidt-Schmitt: „Ist was kaputt?“
„Woher soll ich das wissen?“
Irritiert öffnete der Oberkommissar die Handtasche und begutachtete den Inhalt. „Hm, sieht doch alles okay aus.“
„Findest du?“
„Klar. Eine ganz normale Handtasche. Was ist daran auszusetzen?“
„Die ist er-nie-dri-gend. Nur perverse pädophile Sittenstrolche auf Herointrip gehen mit so was vor die Tür. Und auch das wahrscheinlich nur, um eine Wette zu gewinnen“,
Weitere Kostenlose Bücher