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Das Grauen in den Bergen

Das Grauen in den Bergen

Titel: Das Grauen in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Ink
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Das Gebäude war wie gesagt nicht groß und bot daher nur wenige Möglichkeiten, um brisantes Material zu verbergen. Selbst die kleine Bibliothek im Wohnzimmer enthielt nichts als einige Standardwerke und Groschenromane. Nach vielleicht einer Stunde gab ich es auf.
    »Dieses Haus ist so harmlos wie ein Kätzchen«, murmelte ich frustriert. »Weshalb zum Teufel wollte Vater, dass ich es verbrenne?«
    In einem der Vorratsschränke hatte ich eine Flasche Sherry gesehen. Ich entkorkte sie, goss mir reichlich ein, ließ mich in einen der Sessel im Wohnbereich fallen und spülte meine Medikamente hinunter. Als das Glas leer war, schleppte ich mich auf bleiernen Beinen zu dem Doppelbett im oberen Stockwerk, kroch hinein und schlief fast augenblicklich ein.
     
    ***
     
    Es musste zu viel Sherry gewesen sein, denn meine Träume waren wirr und verstörend. Ich flog durch schwarze Schemen, inmitten derer sich weiß der Berg und das Dorf abzeichneten. Ein Leuchtfeuer wies mir den Weg um den Fels herum und leitete mich auf sanften Luftströmen zu einem Ding, das jenseits des Gipfels lag. Es waberte und verformte sich beständig, pumpte wie ein Herz und glühte wie ein Stück Kohle in der Esse. Ich konnte nicht erkennen, was es war, doch es sang zu mir, lockte mich, lud mich ein, umwarb mich … ich fühlte mich an die Sage von Odysseus erinnert und wünschte, ich könne mir wie er Wachs in die Ohren stopfen, um den Verlockungen der Sirenen zu entkommen. Ich nahm all meine Kraft zusammen, wandte mich ab und floh, flog wieder zurück zu dem weißen Dorf in der Schwärze …
    Doch stattdessen fand ich mich an ein Bett gefesselt wieder, in einer Zelle mit gepolsterten Wänden. Einer Zelle, die ich in- und auswendig kannte, weil ich darin zahllose einsame Stunden verbracht hatte. Ich konnte die exakte Zahl der Flecken an der Decke benennen, wusste, wie viele Schritte der Raum längs und quer durchmaß und erinnerte mich nur zu gut an die Art, wie die Polsterungen den Schall dämpften. Ich war zurück in der Anstalt und das Entsetzen packte mich. Meine Finger krallten sich in die Matratze, mehrere Nägel rissen ab. Ich warf den Kopf in den Nacken und brüllte, brüllte …
     
    ***
     
    Schreiend und schweißgebadet schrak ich hoch und sah nichts als Schwärze. Es musste mitten in der Nacht sein. Orientierungslos tastete ich um mich und fand endlich die Schachtel mit den Zündhölzern. Zitternd riss ich eines an und entdeckte in seinem flackernden Licht die Öllampe. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich hinreichend orientiert hatte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, atmete langsam und tief durch … und wusste plötzlich des Rätsels Lösung.
    »Die Abmessungen«, murmelte ich.
    Ich sprang aus dem Bett, nahm die Lampe mit und begann, systematisch die Räume abzugehen, wobei ich meine Schritte zählte. Ich addierte jeden Fuß, den ich vor den anderen setzte. Als ich oben fertig war, begab ich mich ins Erdgeschoss und wiederholte den Vorgang. Und tatsächlich: im Wohnbereich, an einer Wand ohne Fenster, kam ich zweieinhalb Schritte zu früh zum Stehen. Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich den geschickt zwischen Brettern verborgenen Spalt entdeckt hatte. Ich tastete mich daran entlang, meine Finger fanden eine Vertiefung, fassten hinein und zogen. Ein hölzernes Klicken antwortete. Die Wand schwang mir in den Angeln entgegen. Ich streckte den Arm mit der Lampe aus und beleuchtete das Geheimnis des Hauses, während ich triumphierend ausrief: »Die Coldlowe’sche Hartnäckigkeit hat gesiegt!«

- Ein Versteck und ein Drang -
     
    Der kleine Raum war gerade breit genug für einen Schreibtisch, einen Schrank sowie mehrere überquellende Regale, mit denen die Wände geradezu gespickt waren. Sie wurden von Büchern in allen Größen, Farben und Verfallsstadien dermaßen ausgefüllt, dass zwischen ihnen lediglich ein schmaler Korridor verblieb, in dem sich ein erwachsener Mann allenfalls seitlich gehend fortbewegen konnte. Im warmen Schein der Lampe besah ich mir die Rücken der Bücher und stellte fest, dass ich es größtenteils mit geschichtlichen, archäologischen und geologischen Werken zu tun hatte. Einige von ihnen befassten sich allerdings auch mit technischen Dingen wie Hydraulik und Bohrtechnik, wieder andere handelten von Mechanik, Astronomie oder gar Theologie. Wie es schien, waren meine Eltern so etwas wie Universalgelehrte gewesen. Es wollte mir beim besten Willen nicht gelingen, einen Zusammenhang

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