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Das Grauen in den Bergen

Das Grauen in den Bergen

Titel: Das Grauen in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Ink
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Gestank von Urin stieg mir in die Nase. Der widernatürliche Schall ließ das gesamte Haus erbeben. Das Bett vibrierte, polterte über den Fußboden. Die Kerze kippte um und erlosch. In der Dunkelheit war nichts als die Schwingung. Ich glaubte, sie würde meine Trommelfelle zum Platzen bringen, so sehr dröhnte sie. Und dann sprach sie zu uns.
    Gottes Worte können einen Mann unmöglich stärker erschüttern als jene Bassstimme, die Mrs. Pickman nun zu Boden streckte und mich tief in das Bett presste.
     
    TWGJTG OGKPGP PCEJHCJTGP PKEJV CP, ICTUVKIGU YGKD!
     
    Jede Silbe traf mich mit der Wucht eines Hammerschlags. Unter mir zerbarst Holz. Ich war mir sicher, dass ich sterben würde, doch das Schicksal war noch nicht fertig mit mir. Eine gnädige Ohnmacht erlöste mich.
     

- Eine Enthüllung und ein Entsetzen -
     
    Das panische Geschrei der Alten weckte mich.
    »Boxer! Gott, ‘s hat sich Boxer geholt! Mein Hund, mein armer Hund!«
    Ich blinzelte die schwarzen Punkte weg und wurde von Schmerzen begrüßt. Jeder Zoll meines Körpers schien wund zu sein. Tageslicht (beziehungsweise etwas, das dem so nahe kam, wie es in dieser Siedlung möglich war) umgab mich; ich musste die ganze Nacht bewusstlos gewesen sein. Stöhnend rollte ich in eine angenehmere Haltung und stellte fest, dass ich mich frei bewegen konnte. Die Fesseln baumelten lose an meinen Hand- und Fußgelenken, von den Bettpfosten, an denen sie befestigt gewesen waren, zeugten nur noch Stümpfe.
    Scharfe Kanten bohrten sich mir in die Seite, als ich mich von den Überresten des Betts wälzte. Benommen taumelte ich auf die Füße.
    Wieder hörte ich Mrs. Pickman keifen: »Nich‘ Boxer, nich‘ er! Er is‘ das Einz’ge, was ich noch hab.« Sie schluchzte mehrmals, bevor sie die Litanei fortführte: »Nich‘ mein Hund, nich‘ er!«
    Auf wackligen Beinen folgte ich der Stimme. Ich musste mich im Türrahmen abstützen, um nicht lang hinzuschlagen. In der Wohnstube kauerte sie, vor dem erloschenen Kamin. Ihre knotigen Hände hielten ein Büschel Fell umklammert.
    Sie hörte mich kommen und sah mich vorwurfsvoll an. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. »Das war meine Strafe. Ich hab mich geirrt, ‘s konnt‘ sich doch an mir rächen. Mir wär’s egal gewesen, wenn’s mich genommen hätt‘, aber mein‘ Hund …« Ihre Unterlippe bebte. Es war verstörend, eine solch kindliche Geste auf dem ledrigen Gesicht zu sehen.
    »Wenn Sie mich nicht betäubt und festgebunden hätten, wäre das nicht geschehen.« Ich spie die Worte förmlich aus und sah mit Genugtuung, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlten. Mrs. Pickman sank noch weiter in sich zusammen und ließ ein Wimmern hören. Doch dann schlugen die Emotionen in etwas anderes um. Die Knotenhände verkrampften sich entschlossen, das faltige Kinn wurde trotzig emporgehoben. Sie stand auf und kam mir entgegen, Blitze mit den trüben Augen verschießend. »Nein«, grollte sie, »nein, ‘s ist alles Ihre Schuld ! Sie und Ihre Vorfahr’n sind’s, denen das Dorf dies alles verdankt.« Ein Zeigefinger stach nach meiner Brust. Der Stoß war so stark, dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. »Ich hab stets versucht, Ihnen und Ihr‘n Vorgängern zu Dienst’n zu sein, und was hat’s mir eingebracht? Trauer und Verzweiflung, nix weiter. Ich hab das Dorf aussterben sehn, hab jedes Mal bitt’re Tränen geweint, wenn ich mein Vieh verloren hab, meinen Mann hat’s mir genommen … und jetzt bleibt gar nichts mehr !«
    Sie schlug auf mich ein, ein Hagel aus arthritischen Fäusten traf meine Brust. Ich war viel zu benommen, um ihn abzuwehren. Gottlob reichte Mrs. Pickmans Kraft nur für wenige Sekunden.    
    »Aber jetz‘ ist Schluss«, murmelte sie schwer atmend. »Sie könn‘ von mir aus verreck’n. Ich schuld‘ Ihnen nichts mehr.« Mit einem energischen Ruck machte sie auf dem Absatz kehrt und stapfte zur Haustür.
    »Wo … wo wollen Sie hin?«
    Sie riss die Tür auf und zischte über die Schulter: »Ich werd‘ mir meinen Hund zurückhol’n, und wenn’s mich das Leben kostet!«
    Als die Tür zuschlug, erschütterte mich der Knall mindestens ebenso wie die Hausmauern.
     
    ***
     
    Was ich nun tat, kann ich nicht logisch begründen. Die Schwingung war verstummt, sie war es nicht, die mich antrieb. Es musste eine Art morbide Neugier sein, die Art von Kribbeln, die uns langsamer gehen lässt, wenn wir an einem Unfall vorbeikommen. Das Leid Anderer fasziniert uns, wir müssen es uns ansehen, als

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