Das grobmaschige Netz - Roman
wollen.«
Der Sozialberater schwieg. Setzte sich vorsichtig auf die Schreibtischkante.
»Haben Sie im vergangenen Jahr ein Verhältnis mit einer Schülerin gehabt? Und sie sogar hier in der Schule flachgelegt. . .?«
Die Antwort blieb aus. Der Sozialberater schluckte und fasste sich an den Bart.
»Es geht hier nicht um Sie!«, sagte Reinhart. »Es geht um einen noch übleren Arsch. Sie haben zehn Sekunden, dann nehme ich Sie mit auf die Wache.«
Der Sozialberater ließ seinen Bart los und versuchte, Reinhart ins Auge zu schauen.
»Ja«, sagte er. »Das ...«
»Danke«, sagte Reinhart. »Das reicht.«
Er knallte so laut mit der Tür, dass es im ganzen Flur widerhallte.
»Tritt die Tür ein«, befahl Van Veeteren.
»Wir haben Jungs, die Schlösser aufstochern können«, erinnerte Münster.
»Keine Zeit«, sagte Van Veeteren.
»Meistens gibt es auch einen Hausmeister«, regte Münster an.
»Die Tür eintreten, hab ich gesagt. Soll ich das vielleicht selber machen?«
Münster nahm Anlauf. Die Tür war ausgesprochen geschickt angebracht. Möglichst weit weg von der Treppe. Er hatte eine Anlaufbahn von gut und gern acht Metern. Van Veeteren trat beiseite.
»Gib’s ihr richtig!«
Münster knallte mit der Schulter gegen die Tür. Beides knackte gewaltig, die Tür und auch Münster, aber das war alles.
»Noch mal!«, sagte Van Veeteren.
Münster schritt noch einmal zur Attacke, hatte aber auch nicht mehr Erfolg.
»Holt den Hausmeister«, sagte Van Veeteren. »Ich warte hier.«
Zehn Minuten später erschien Münster mit einem mageren Mann in Blaumann und Schirmmütze.
»Herr Gobowski«, erklärte er.
Um Van Veeterens Füße lag ein Ring aus zerkauten Zahnstochern, der von Herrn Gobowski kritisch beäugt wurde. Dann wollte er Van Veeterens Dienstausweis sehen.
Er war offenbar schon mal im Kino gewesen.
Die Wohnung bestand aus zwei kleinen Zimmern und einer noch kleineren Küche. Sie brauchten ungefähr fünf Sekunden,
um sich davon zu überzeugen, dass der Mieter ausgeflogen war. Van Veeteren ließ sich in einen Kunstledersessel sinken.
»Der hat sich aus dem Staub gemacht«, sagte er. »Wir müssen zur landesweiten Fahndung blasen. Ist mir scheißegal, was das kostet ... Münster, du bleibst hier und kämmst die Bude durch. Ich schicke dir einen Mann zum Helfen.«
Münster nickte. Der Hauptkommissar wandte sich an den Hausmeister, der sich neugierig in der Diele herumdrückte.
»Hatte er ein Auto?«, fragte Van Veeteren.
»Einen blauen Fiat«, sagte Gobowski.
»Und wo stellte er den ab?«
»Draußen auf dem Parkplatz.«
Gobowski nickte in Richtung Straße.
»Lassen Sie uns mal nachsehen, ob der Wagen noch da ist«, schlug Van Veeteren vor. »Den Kommissar können wir doch seinem Schicksal überlassen.«
»Halt!«, rief Münster, als sie gerade die Wohnung verlassen wollten. »Seht mal!«
Er hatte eine kleine gerahmte Fotografie in der Hand. Van Veeteren nahm das Bild und sah es sich genau an.
»Eva Ringmar«, sagte er. »Einige Jahre jünger, aber es ist Eva Ringmar, verdammt noch mal.«
»Also keine Zweifel mehr?«, fragte Münster.
»Hatte ich je welche?«, erwiderte Van Veeteren und überließ Münster nun wirklich seinem Schicksal.
»Carl Ferger, ja«, sagte Reinhart. »Ist 1986 hergekommen, vielleicht auch einige Jahre früher... schickt sofort ein Fax raus! Und schreibt dazu, dass sie sofort Bescheid sagen sollen, wenn sie ihn finden. Und schaltet alles ein, Steckbriefe, Interpol, was wir haben! Und meldet euch sofort, wenn die Antwort da ist. Kapiert?«
Widmar Krause nickte.
»Eins ans Einwohnermeldeamt ... und eins ans andere Ende der Welt«, wiederholte Reinhart. »Mal sehen, wer schneller ist.«
Krause verschwand. Reinhart schaute auf die Uhr. Viertel nach zwölf. Er lugte zu Van Veeteren hinüber, der über dem Schreibtisch hing.
»Der knackt wahrscheinlich in irgendeinem Motel«, sagte Van Veeteren. »Übrigens, keine schlechte Idee. Weißt du, dass mich heute Morgen um halb fünf so ein Depp geweckt hat? Wollen wir jetzt Mittag essen?«
»Aber klar«, sagte Reinhart. »Aber nicht in der Kantine.«
»Bloß nicht«, sagte Van Veeteren. »Wenn wir schon untätig herumsitzen müssen, dann können wir uns auch etwas Edleres gönnen.«
»Gut«, sagte Reinhart. »Gehen wir ins La Canaille und hinterlegen die Nummer bei der Bereitschaft ... aber wenn nun gerade Klempje Dienst hat?«
»Zum Glück nicht«, sagte Van Veeteren. »Der ist noch immer im
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