Das große Buch vom Räuber Grapsch
immer geklemmt. Ich hab sie nie aufgekriegt."
Olli ging zum Schrank und besah sich den Schaden. „Tassilo", rief sie, „die Schublade lässt sich öffnen!"
Das wollte Grapsch nicht glauben. Er kam und beugte sich über die offene Schublade. Auch Max interessierte sich für dieses Wunder, und so stießen sie alle drei vor dem Schrank mit den Köpfen zusammen.
„Da ist ja Geld drin!", staunte Tassilo. „Scheint, als ob's mein Vater oder mein Großvater da hineingestopft hat - und als er's dann wieder rausholen wollte, hat die Schublade geklemmt. Oder er hat's vergessen. Was ist schon Geld?"
Olli zählte mit flinken Fingern. Sie bekam fünfzehntausendsechs-hundertfünfzig Mark zusammen. „Jetzt brauchst du nicht zu rauben", frohlockte sie, „jetzt kannst du kaufenl" „Kaufen?", knurrte Grapsch. „Am helllichten Tag in Juckenau herumlaufen ? Was meinst du, wie sich die Polizei auf mich stürzen würde!"
„Stimmt", sagte Max. „Das ist zu riskant. Ich werde einkaufen." Olli war von dieser Idee begeistert, aber Grapsch warf sich missmutig auf einen Stuhl, dass es krachte. „Ich hab doch gerade solche Raublust", maulte er. „Die soll jetzt so verpuffen? Dann raub ich wenigstens einen Zimmermann. Den kann man nicht kaufen."
„Ich glaub, ich hab schon einen", sagte Max. „Mir ist der Anton Specht eingefallen. Der war mal der beste Zimmermann aus dem ganzen Juckener Ländchen. Und im Juckenauer Männerchor Harmonie war er auch. Eine Prachtstimme, sage ich euch! Wenn der sang, hörte man's bis Juck am See. Aber im vergangenen Jahr ist ihm ein Balken auf den Kopf gefallen. Da hat er seine Stimme verloren."
„Der Arme!", rief Olli.
„Und seit der Zeit hat er eine Macke", sagte Max. „Wenn er in die Nähe von Holz kommt, muss er daran herumschnitzen. Und wenn's ein Kleiderständer oder ein Küchenschrank ist. Deshalb hat ihn seine Baufirma entlassen. Jetzt lungert er den ganzen Tag in der Stadt herum und schnitzt an den Parkbänken, bis ihn der Parkwächter wegjagt."
„Wenn er keine schlimmeren Macken hat als die", meinte Grapsch, „könnten wir ihn hier schon gut brauchen."
„Aber ob er kommen will?", fragte Olli. „Zum Räuber Grapsch, den alle fürchten ?"
„Wenn er nur zimmern darf", sagte Max. „Alles andere ist ihm egal."
Er bat Olli um ein Blatt Papier für eine Einkaufsliste. Aber in der Räuberhöhle gab es nicht viel Papier: nur die drei Bücher von Olli, die sie aus Tante Hedwigs Haus mitgebracht hatte - und eine Klopapierrolle. Die hatte Tassilo einmal aus dem Juckenauer Supermarkt geraubt, und nun verstaubte sie auf dem Schrank. Denn Tassilo wischte sich nur mit Blättern ab, und Olli hatte sich das inzwischen auch angewöhnt.
Grapsch langte die Rolle herunter, Olli entrollte sie, und Max schrieb darauf eine lange Liste, die mit drei Schaufeln anfing und mit Anton Specht aufhörte. Dem Räuber fiel immer wieder noch etwas ein, bis Olli energisch „Schluss jetzt!" sagte und die Liste von der Rolle abriss.
Max rollte sie auf, steckte sie sich hinters Ohr und schob das Geld in seine Brusttasche. Dann zogen sie los: Max sollte die Einkäufe aus Juckenau bis an den Waldrand schaffen, Tassilo wollte sie von dort bis zur Höhle schleppen. „So geht's schneller", meinte Grapsch.
„Dass du dir ja nicht einfallen lässt, doch noch rauben zu gehen!", rief ihm Olli nach.
In der Nacht kam Grapsch heim. Er keuchte unter einem Berg von Zementsäcken. Rundherum aus seinen hohen Stiefelschäften ragten Hämmer, Zangen, Mörtelkellen und Zollstöcke, in seinem Bart stak ein ganzes Sortiment von Schraubenziehern, in jedem Ohr ein Pinsel. Nachdem er die Stiefel ausgezogen hatte, fielen unzählige Nägel, kleine und große, aus seinen Hosenbeinen. „Klatsch mir mal eins hinten drauf", sagte er zu Olli, die schlaftrunken aus dem Laubbett blinzelte. „Dort pikst mich noch was." Kaum war die Hose nagelfrei, zog er sich die Stiefel wieder an, riss sich die Pinsel aus den Ohren, ließ sich von Olli den Bart abräumen und weg war er.
Erst am nächsten Mittag tauchte er wieder auf. Olli hörte ihn über den Sumpf kommen. Sie lief ihm entgegen.
Grapsch schwankte unter einer riesigen Zinkwanne, die er auf der Schulter trug und mit einer Hand abstützte. Mit der anderen zog er einen hoch beladenen Handkarren hinter sich her. „Ein tolles Stück, nicht wahr?", sagte er stolz, als er die Wanne von der Schulter nahm. „Erst rühren wir den Mörtel darin an, und später lassen wir unsere Kinder darin
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