Das große Buch vom Räuber Grapsch
mich", schrie Olli, „ich hab zu tun!"
„Der Mörtel kann warten", rief er ihr nach. „Jetzt wird sich erst mal gefreut!"
„Aber mir macht das keinen Spaß!", schrie sie über den Wipfeln. Er brüllte vor Lachen. Mit seinen Pranken fing er sie auf und schleuderte sie noch einmal hoch.
„Was fällt dir eigentlich ein, du Lümmel", kreischte Olli erbost. „Du gehst mit mir um, als könntest du mit mir machen, was du willst!"
„Kann ich doch auch", sagte er, als sie mit dem Kopf nach unten herabgesaust kam. „Ich könnte dich zerdrücken wie eine Laus." Er wölbte seine Brust und trommelte mit der Faust darauf. Darüber vergaß er, Olli aufzufangen. Sie platschte in den Mörtel. Erschrocken zog er sie heraus. „Du hast mich abgelenkt", sagte er schuldbewusst. „Hättest du da oben nicht geredet -" Er wollte ihr Gesicht mit seinem Bart abwischen, aber sie riss sich von ihm los, packte Antons Beil, das neben der Wanne lag, lief hinter die Höhle und schlug auf das riesengroße Sparschwein ein, das da rosa im Unterholz stand. Es brach mittendurch. Das Vorderteil zerschellte in tausend Scherben, das Hinterteil mit dem Kringelschwanz blieb ganz. Dann wusch Olli sich am Wasserfall, zog trockene Kleider an, langte sich Quarka aus dem Laub, wickelte sie in Frau Stolzenrücks Pelzmantel und wanderte mit ihr davon. „Wo willst du hin?", rief ihr Grapsch bestürzt nach. „Zu Oma Lisbeth in Juck am See!", rief sie zurück, ohne sich umzudrehen.
Werft die Messer weg, wir feiern!
Oma Lisbeth wohnte abseits vom Ort in einem Häuschen am See, unter einer großen Trauerweide. Sie freute sich riesig, als Olli kam. „Nein, ist es denn möglich?", rief sie und schlug die Hände zusammen. „Die Olli!"
„Es darf niemand wissen, dass ich hier bin", sagte Olli. „Du weißt ja, mein Mann ist Räuber."
„Und wenn du das Seeungeheuer von Loch Ness geheiratet hättest", sagte Oma Lisbeth, „du bist und bleibst meine Olli." Sie nahm ihr das Kind aus dem Arm und küsste es ab. „Mein Urenkelchen!", rief sie entzückt. „Warum bist du denn nicht schon mal früher mit ihm hergekommen?"
„Der Weg ist so weit", seufzte Olli und sank erschöpft auf einen Stuhl.
Da kochte Oma Lisbeth erst mal einen Tee und buk Waffeln und dann schickte sie Olli zu Bett. Olli schlief einen Tag und eine Nacht. Oma Lisbeth weckte sie nur dann, wenn Quarka Hunger hatte.
Am dritten Tag klopfte es an der Tür. „Für dich", sagte Oma Lisbeth zu Olli.
Es war Max. „Ich soll dich holen", sagte er. „Die Kellerwand haben wir jetzt fertig. Aber es geht alles drunter und drüber. Wir müssen abwechselnd den Mörtel rühren, das kostet Zeit. Und was wir uns zusammenbrutzeln, ist kaum genießbar."
„Sag Tassilo, dass ich nicht komme", sagte Olli und schlug die Tür zu.
Ach, war das ein bequemes Leben bei Oma Lisbeth! Olli brauchte keinen Mörtel zu rühren und nicht zu kochen und zu waschen und das Kind zu windeln! Die meiste Zeit saß sie auf Oma Lisbeths grünem Kanapee, trank Tee und erzählte Oma Lisbeth, die das Kind auf dem Schoß wiegte, von ihrem Leben im Wald. „Herrlich!", rief Oma Lisbeth ein übers andere Mal. „Von so einem Leben habe ich auch immer geträumt! Aber mein Mann war leider kein Räuber, sondern Schneidermeister."
„Der hat dich sicher nie in die Luft geworfen", sagte Olli. „Nein, das hat er nicht", seufzte Oma Lisbeth. „Ach, hätte er doch!"
Zwei Wochen nach Maxens Besuch kam wieder Besuch für Olli. Sie schaute zum Fenster hinaus und erkannte Anton. Er grinste und zeigte zum Wald hinüber. „Nein", sagte Olli, „ich bleibe hier."
Da zog Anton ein großes rotes Taschentuch aus der Latzhose, wischte sich den Schweiß vom Stoppelkopf, fuhr über die Augen und schnäuzte sich ausgiebig. Dann ließ er den Kopf sinken, drehte sich um und ging fort.
„Wenigstens einen Tee hättest du ihm anbieten können", sagte Oma Lisbeth vorwurfsvoll. „Wenn man bedenkt, dass er drei Stunden für den Weg gebraucht hat!"
Wenn die Sonne schien, lag Olli in einem Liegestuhl am Seeufer und starrte aufs Wasser. Immer öfter musste sie an die Höhle und das neue Haus und den Hubschrauber und an Tassilo denken. Nachts träumte sie von seinem großen warmen Bart. „Ich glaube, jetzt wird es bald Zeit, dass du wieder zu deinem Mann zurückkehrst", sagte Oma Lisbeth eines Tages. „Obwohl es mir das Herz brechen wird, wenn Quarka nicht mehr da ist." Olli blieb stumm.
Eines Nachts pochte es an Ollis Fenster. Mit klopfendem Herzen
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