Das große Buch vom Räuber Grapsch
Freudenschrei aus. „Wie schön es hier ist, mein Schnockengöckerchen!", rief sie. „Hier ist Sonne", sagte er feierlich, „und Wasser in Mengen. Ich hör sogar einen Wasserfall rauschen. Und der Platz liegt mitten in Sümpfen, unerreichbar für die Polizei. Und von hier ist es gar nicht mehr weit bis nach Juckenau. Nur noch etwa drei Stunden. Und Brombeersträucher gibt es auch haufenweise -"
„Ja", rief sie, „hier ist es genauso schön wie zu Hause. Hier soll unser Haus stehen. Wie hast du diesen herrlichen Platz nur gefunden?"
Sie sprang von seinem Rücken herunter und wieselte hierhin und dorthin. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und sagte: „Oh Tassilo, wie hast du mich reingelegt!"
„Reingelegt?", grinste Grapsch. „Ist das nicht wirklich ein schöner Platz? Hat er nicht alle Vorteile, die ich aufgezählt habe?" Sie dachte eine Weile nach, dann sagte sie: „Er hat sogar noch mehr Vorteile: Wenn wir das Haus hier auf die Wiese bauen und du hast mal Sehnsucht nach deiner Höhle, gehst du einfach ein paar Schritte und bist drin. Und die Kinder könnten drin spielen. Und an den heißesten Sommertagen würden wir uns hineinsetzen, denn sie bleibt immer kühl. Wahrhaftig - einen besseren Platz gibt es nicht."
Tantenhäuschen oder Räuberhöhle
Noch am selben Tag begannen Grapsch und Olli ihr Haus zu entwerfen. Aber gleich gerieten sie in Streit, denn Olli verstand unter einem schönen Haus etwas ganz anderes als Grapsch. Der wollte sein Haus rund haben. Olli aber konnte sich ihr Haus nur viereckig vorstellen. Grapsch wollte ein Dach so spitz wie eine Hampelmannsmütze. Olli wollte ein Flachdach wie auf dem Bungalow, der dem Direktor der Sparschweinfabrik in Juckenau gehörte. In dieser Fabrik hatte sie nämlich früher gearbeitet, bevor sie ihren Tassilo zufällig beim Beerenpflücken im Wald getroffen hatte. Sie hatte auch die Raumaufteilung schon ganz genau im Kopf und zeichnete sie an die Höhlenwand. „Hier kommt das Schlafzimmer hin und hier die Küche und das Badezimmer, hier die Diele und hier die gute Stube. Unterm Dach werden die Kinderzimmer sein.
Natürlich werden anfangs ein paar Zimmer leer stehen, aber man muss bei einem Hausbau ja auch an die Zukunft denken. In neun Jahren könnten unsere zehn Kinder da sein, nicht wahr?"
„Mir gefällt das alles nicht", unterbrach sie Grapsch. „Das wird ja wieder nichts anderes als so ein Tantenhäuschen, nur größer. Ich will kein Haus mit lauter kleinen Einteilungen wie Käfige. Mein Haus soll nur einen einzigen prächtigen runden Raum haben."
„Und das Badezimmer?", rief Olli.
„Dafür haben wir einen Wasserfall", sagte Grapsch.
„Und das Klo?"
„Der Wald ist groß."
„Und wo soll die ganze Familie schlafen?"
„Wo sie lebt, da schläft sie auch", sagte Grapsch. „Auf die eine Seite kommt Heu oder Laub, und abends wühlen sich da alle hinein. Ist doch gemütlich - oder?"
„Und kochen soll ich wohl neben dem Heuhaufen, was?", rief Olli empört. „Und wo soll ich die Kinder kriegen?"
„Natürlich im Heuhaufen", sagte Grapsch. „Bei schönem Wetter geht's auch draußen."
„Nein", schrie Olli wütend, „was du dir vorstellst, ist ja auch wieder nichts anderes als eine Höhle, nur ein bisschen heller! Ich will so wohnen wie die normalen Leute, zum Beispiel die in Juckenau!"
„Die sind nicht normal", sagte Grapsch. „Normal bin ich." Olli brach in Tränen aus und drohte, mit Quarka zu Tante Hedwig nach Juckendorf oder zu Oma Lisbeth nach Juck am See zu ziehen. Darauf sprachen sie den Rest des Tages nicht mehr miteinander. In der Nacht wälzten sie düstere Gedanken, und jeder hörte den anderen neben sich schlaflos seufzen.
Bei einer kräftigen Tasse Kaffee räusperte sich Olli am nächsten Morgen und sagte: „Also gut, ich verzichte auf ein Badezimmer. Aber ich bestehe auf einem Klo."
„Einverstanden", sagte Grapsch und wischte in dem Plan an der Höhlenwand herum.
„Und auf dem Dachboden schlafen wir", sagte Olli. Das hielt Grapsch sogar für eine glänzende Idee, und sie berieten und wischten und zeichneten weiter, bis sie den Hausplan fertig hatten. Beide waren zufrieden: Grapsch hatte durchgesetzt, dass das neue Haus kein so grässliches Etepetete-Tantenhaus wurde, und Olli hatte erreicht, dass es nicht doch wieder einer Räuberhöhle ähnelte.
„Jetzt tut mir der Kopf weh", sagte Grapsch.
„Wir müssen noch überlegen, wohin wir das Haus bauen", sagte
Olli.
Sie gingen hinaus vor die Höhle,
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