Das große Doppelspiel
sie ist nur ein Vorwand. Dieser General
Ziemke scheint mir sehr suspekt, und was Rommel betrifft – der
Mann ist inzwi schen eine Schande für das
Offizierskorps.«
Obgleich der größte deutsche Kriegsheld so
verunglimpft wurde, blieb Priem vollkommen ruhig. »Ich nehme an,
wir reden nicht von Festnahmen, Reichsführer?« sagte er.
»Natürlich nicht. Totale Überwachung,
schriftliche Berichte über alle Anwesenden und natürlich ein
Verzeichnis aller An rufe, die der Feldmarschall und alle
übrigen Offiziere im Gene ralsrang machen.«
»Zu Befehl, Reichsführer«, sagte Priem automatisch.
»Gut. Ich erwarte Ihren Bericht.«
Die Leitung war bereits tot, als Priem den Hörer
immer noch ans Ohr hielt. Ein sehr leises Knacken. Er blickte zur
Verbin dungstür, lächelte leicht, legte vorsichtig auf
und durchquerte, gefolgt von dem Schäferhund, das Zimmer. Als er
die Tür öff nete, legte Reichslinger gerade auf. Er
drehte sich mit schuld bewußtem Gesicht um.
Priem sagte: »Hören Sie, Sie elender
kleiner Schnüffler. Wenn ich Sie noch mal dabei erwische, werde
ich Karl erlau ben, Ihnen die Eier abzureißen.«
Der Hund hechelte und starrte Reichslinger an.
Reichslinger sagte, plötzlich aschfahl: »Ich … ich
habe mir nichts dabei gedacht.«
»Aber Sie kennen jetzt ein Staatsgeheimnis von
größter Wichtigkeit«, brüllte Priem.
»Nehmen Sie endlich Haltung an, Reichslinger.«
»Zu Befehl, Sturmbannführer.«
»Sie haben einen Eid geschworen, den Führer
zu schützen, einen heiligen Eid. Also schweigen Sie über das,
was Sie ge hört haben, oder ich lasse Sie erschießen.
Und denken Sie dar an – Versagen ist ein Zeichen von
Schwäche.«
Als er die Tür zu seinem Büro öffnete, sagte Reichslinger:
»Ich würde Sie gern an etwas erinnern, Herr Major.«
»Woran denn?«
»Sie haben den Eid auch geschworen.«
Max Priem war 1910 als Sohn eines Obergefreiten der
Infan terie, der 1917 an der Westfront gefallen war, zur Welt
ge kommen. Seine Mutter starb 1924, und die Ersparnisse, die sie
ihm hinterließ, erlaubten ihm, an der Universität Heidelberg
Jura zu studieren.
1933, als er beide Staatsexamen bestanden hatte, fand
er kei ne Arbeit. Die SS und andere Organisationen der NSDAP
suchten gescheite junge Männer. Wie viele andere trat auch Priem
vor allem deshalb in die Dienste der Partei, um endlich eine feste
Anstellung zu haben. Wegen seiner Sprachbegabung wurde er vom SD, dem
Sicherheitsdienst der SS, geholt, doch bei Kriegsausbruch ließ er
sich zu einer Fronteinheit der Waf fen-SS versetzen. Als das
Einundzwanzigste SSFallschirmjägerbataillon gebildet wurde,
meldete er sich als einer der ersten freiwillig und diente dann in
Kreta, Nordafrika und Rußland. Stalingrad war sein Schicksal
gewesen. Kopf schuß – von einem russischen
Heckenschützen. Und so saß er nun viele Kilometer vom
Kriegsgeschehen entfernt in einem Schloß wie aus dem
Märchen, mitten in der lieblichen Breta gne, am Schreibtisch.
Er ging hinauf in sein Zimmer, duschte
und zog sich um und begutachtete sich, als er fertig war, im Spiegel.
Er trug Fall schirmjägeruniform, nicht das Blaugrau der
Luftwaffe, sondern das Feldgrau des Heeres, und nur der silberne
Totenkopf an der Mütze und das Rangabzeichen wiesen darauf hin,
daß er zur SS gehörte. Ein weites Hemd und ausgebeulte, in
dicken Stiefeln steckende Hosen. Ein goldenes Verwundetenabzeichen, ein
Eisernes Kreuz Erster Klasse und ein goldsilbernes Fallschirm
jägerabzeichen zierten seine linke Brust, und um den Hals hatte er
das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern.
»Sehr hübsch«, sagte er leise. »Man muß den Schein wah ren.«
Er trat auf den Korridor hinaus, als Maresa,
Anne-Maries Zofe, gerade mit einem Stoß Frotteetüchern
vorbeikam. »Wis sen Sie, ob General Ziemke bei der
Gräfin ist?« fragte er in ausgezeichnetem Französisch.
Sie knickste. »Ich habe ihn vor fünf
Minuten in ihr Boudoir gehen sehen. Sie haben Kaffee bestellt.«
»Gut. Kommt Ihre Herrin morgen zurück?«
»Ja, Herr Major.«
Er nickte. »Gehen Sie, ich will Sie nicht länger von der Ar beit abhalten.«
Sie entfernte sich, und er holte tief Luft, ging
weiter zur Hal le im ersten Stock und schritt die Treppe zu den
Privatgemä chern der Gräfin hinauf.
In Cold Harbour regnete es seit Stunden, und ein
feiner grauer Dunst umgab die Bäume und hüllte das Herrenhaus
in einen geheimnisvollen Schleier, als Geneviève und Julie in
gelbem Ölzeug
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