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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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vermeiden.
    So begann für mich, was der Anfang einer langen, komplizierten Reise werden sollte, von der ich noch nichts wusste. Doch es mag sein, dass ich es irgendwie geahnt habe, denn als ich die Haustür abschloss, überkam mich eine Melancholie, die ich sonst nur von mir kannte, wenn ich auf lange Reisen ging, ein dumpfes Gefühl von Ungewissheit und Bedauern, und als ich über die Schulter zurückblickte und die dunklen Fenster unseres Hauses sah, dachte ich, angesichts meines Alters und all der Dinge, die einem zustoßen können, sei nicht auszuschließen, dass ich es nie wiedersehen würde. Ich stellte mir den verwilderten Garten vor, wieder zugewachsen wie damals, als wir ihn zum ersten Mal gesehen hatten. Es war ein melodramatischer Gedanke, den ich auch als solchen zurückwies, aber unterwegs wurde ich noch oft daran erinnert, dass er mir gekommen war. In meiner Tasche, unter den üblichen Sachen wie Kleidung und Bücher, befanden sich die Haarlocke, die Krankenhausbescheinigung und ein Exemplar von Zerbrochene Fenster, das ich Lottes Sohn geben wollte. Auf der Rückseite des Umschlags war ein Foto von ihr, um dessentwillen ich dieses und kein anderes ihrer Bücher ausgewählt hatte. Darauf sah sie mehr denn je nach einer Mutter aus, so jung, ihr Gesicht so weich und voll, die Kopfhaut noch nicht durchscheinend wie später, als sie über fünfzig war, und ich dachte mir, das sei die Lotte, die ihr Sohn sicher gern sähe, wenn er sie überhaupt sehen wollte. Aber sooft ich etwas brauchte und in meine Tasche griff, begegnete ich ihren verletzten Augen, die mich von unten anstarrten, und manchmal schien es, als ermahnte sie mich, und manchmal, als stellte sie mir eine Frage, und manchmal, als versuchte sie, mir ein paar Neuigkeiten über den Tod mitzuteilen, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt und mich anstrengte, sie auf dem Boden der Tasche zu vergessen, und als das nicht gelang (sie kam immer wieder hoch), drückte ich das Buch mit Gewalt in die Tiefe und begrub es unter dem Gewicht anderer Sachen.
    Kurz vor drei Uhr nachmittags fuhr der Zug in Liverpool ein. Ich beobachtete gerade einen Gänseschwarm, der durch den stahlgrauen Himmel flog, als wir in einen Tunnel eintauchten und unter dem Glasdach der Lime Street Station herauskamen. Die Adresse, die Gottfried mir von den Fiskes gegeben hatte, war in Anfield. Ich hatte mir vorgenommen, an dem Haus vorbeizugehen, bevor ich mir in der Nähe ein Bed and Breakfast zum Übernachten suchte, und dann am nächsten Morgen anzurufen. Aber als ich den Bahnsteig hinunterging, schmerzten mir die Beine, wurden schwer, als wäre ich zu Fuß von London gekommen, statt zweieinhalb Stunden müßig im Zug zu sitzen. Ich blieb stehen, um meine Tasche über die andere Schulter zu hängen, und spürte, ohne aufzublicken, wie der graue Himmel von oben auf das Glasdach drückte, und als dann die Buchstaben auf der Anzeigetafel zu rauschen und zu klicken begannen, Zeiten und Ziele zerfielen, uns verließen, die neu hinzukommenden noch in der Schwebe, überwältigte mich eine schwindelerregende Welle von Klaustrophobie, sodass ich dem dringenden Bedürfnis, schnurstracks zum Schalter zu gehen und mir eine Rückfahrkarte für den nächsten Zug nach London zu kaufen, kaum widerstehen konnte. Die Buchstaben ratterten erneut, und einen Augenblick erfasste mich der Gedanke, die rauschenden Buchstaben schrieben Personennamen. Nur von welchen Personen, konnte ich nicht sagen. Ich muss eine Zeitlang dagestanden haben, denn ein Mann von der Bahn, einer in Uniform mit goldenen Knöpfen, kam auf mich zu und fragte, ob es mir gutgehe. Es gibt Zeiten, in denen die Freundlichkeit von Fremden alles nur noch schlimmer macht, weil man sich bewusstwird, wie dringend man Freundlichkeit braucht und dass Fremde ihre einzige Quelle sind. Aber ich schaffte es, mich gegen das Selbstmitleid zu wappnen, dankte ihm und ging weiter, ermutigt durch mein Glück, dass ich nicht gezwungen war, so einen Hut zu tragen wie er, ein kesser Aufsatz mit glänzendem Schirm, der den täglichen Kampf um Selbstachtung vor dem Spiegel unermesslich schwieriger machen musste. Doch meine Befriedigung hielt nur so lange an, bis ich mich am Informationsschalter der Schlange von Reisenden anschloss, die mit ihren Fragen die Geduld eines Mädchens strapazierten, das aussah, als wäre es vom Himmel in diesen kleinen runden Stand gefallen, um Informationen über Liverpool zu erteilen, die ihm selbst ganz neu waren.
    Es war

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