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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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konnte es nicht. Der Sog dieser anderen Sache, dieses anderen schimmernden Lebens, war einfach zu stark. Und dann, eines Nachts im Bett, merkte ich, wie die Ebbe mich endgültig leer sog, und als ich aufwachte, blutete ich. Danach versuchten wir es weiter, aber in meinem tiefsten Inneren glaubte ich nicht mehr, dass ich fähig wäre, ein Kind zu gebären. Das waren schmerzliche Zeiten für mich, und wenn ich schon gewöhnlich wenig lachte, war es jetzt ganz aus damit, aber ich erinnere mich an den Gedanken, dass Johns Lachen unverändert blieb. Nicht dass er nicht auch traurig gewesen wäre, aber er war einfach eine Frohnatur, er konnte die Kurve kriegen und die Dinge anders betrachten, oder er hörte einfach einen Witz im Radio, und das reichte ihm. Und wenn er dann vor Lachen den Kopf zurückwarf, ließ mich die Dunkelheit hinten in seiner Kehle noch Schlimmeres ahnen als zuvor, und mir lief ein kleiner Schauder über den Rücken. Ich möchte aber keinen falschen Eindruck erwecken. Er hat mich sehr unterstützt und gab sein Bestes, um mich aufzuheitern. Irgendwie, ich kann es nicht erklären, sagte Mrs.   Fiske, hatte die Dunkelheit, die ich dort sah, nichts oder sehr wenig mit John selbst zu tun, sondern ausschließlich mit mir; hinten in seiner Kehle war nur der Ort, wo es hauste. Ich begann mich abzuwenden, wenn er lachte, um es nicht zu sehen, aber dann hörte ich eines Tages, wie ihm das Lachen so plötzlich verging, als hätte man ein Licht ausgeknipst, und als ich mich umdrehte, kniff er den Mund fest zusammen, und die Scham stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich fühlte mich ganz fürchterlich, kam mir richtig grausam vor, albern und selbstsüchtig, und bald danach begann ich dafür zu sorgen, dass sich zwischen uns etwas änderte. Nach und nach wurde eine Art Zärtlichkeit zugelassen, die vorher nicht da gewesen war. Ich lernte, gewisse Gefühle zu beherrschen, nicht immer gleich der ersten spontanen Regung nachzugeben, und ich weiß noch, dass ich damals dachte, diese Art von Disziplin sei der Schlüssel zur geistigen Gesundheit. Ungefähr sechs Monate später beschlossen wir, ein Kind zu adoptieren.
    Mrs.   Fiske beugte sich vor und rührte um, was in ihrer Teetasse geblieben war, als wollte sie es trinken oder als ruhten die Worte für den Rest ihrer Geschichte zwischen den Fitzeln der Teeblätter auf dem Grund der Porzellantasse. Aber dann schien sie sich eines Besseren zu besinnen, stellte die Tasse auf der Untertasse ab und lehnte sich wieder in ihrem Sessel zurück.
    Es klappte nicht gleich, sagte sie. Wir mussten endlose Anträge ausfüllen, es gab ein Eignungsverfahren. Eines Tages kam eine Dame in einem gelben Kostüm zu uns nach Hause. Ich erinnere mich, wie ich ihr Kostüm anstarrte und dachte, es sei wie ein Fleckchen Sonnenschein und sie eine Botschafterin aus einem anderen Klima, in dem Kinder gediehen und glücklich waren, und sie sei in unser Haus gekommen, um es auszuleuchten und zu sehen, wie das wirkte, wie so viel Licht und Glücklichkeit von unseren farblosen Wänden zurückstrahlen würden. Vor ihrem Besuch hatte ich tagelang auf den Knien gelegen und die Fußböden geschrubbt. Am frühen Morgen vor ihrer Ankunft hatte ich sogar einen Kuchen gebacken, damit der Duft von etwas Süßem in der Luft lag. Ich trug ein blaues Seidenkleid und hatte John dazu gebracht, ein Hahnentrittsakko anzuziehen, das er sich niemals freiwillig ausgesucht hätte, weil ich fand, dass es etwas Optimistisches ausstrahlte. Aber als wir mit unbehaglichen Gefühlen in der Küche saßen und auf sie warteten, sah ich die zu kurzen Ärmel und dass die ganze Jacke, so wie John mit krummem Rücken in diesem lächerlichen Ding am Tisch saß, im Gegenteil unsere Verzweiflung verriet. Aber zum Umziehen war es zu spät, es klingelte, und da war sie, mit ihrer Lackledertasche, die unsere Akte enthielt, unter dem Arm, diese leuchtend gelbe Hüterin aus dem Land der winzigen Fingernägel und Milchzähne. Sie setzte sich an den Tisch, und ich stellte ihr ein Stück Kuchen hin, das sie nicht anrührte. Sie zog ein paar Schriftstücke heraus, die wir unterschreiben sollten, dann begann sie mit ihrer Befragung. John, der sich leicht von Autoritäten einschüchtern ließ, fing an zu stottern. Verlegen und unsicher, innerlich zitternd wegen der Macht, die sie über uns besaß, verhedderte ich mich bei den Antworten, die ich zu geben versuchte, wurde aufgeregt und machte mich zum Affen. Als sie sich, ein verkniffenes,

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