Das große Haus (German Edition)
über den Kopf zu streichen. Auf dem Tisch hatte Mrs. Fiske eine Teekanne und einen Teller mit Getreidekeksen bereitgestellt, obwohl sie sich lange nicht rührte, um einzuschenken, und als sie es tat, war der Tee zu stark. Ich weiß nicht mehr, wie wir anfingen zu reden. Ich erinnere mich nur, dass ich Bekanntschaft mit dem ausgestopften kleinen Hund schloss, irgendeine Spaniel-Art, und dann waren Mrs. Fiske und ich ins Gespräch vertieft, ein Gespräch, auf das wir beide, ohne es zu wissen, seit langer Zeit gewartet hatten. Es gab kaum etwas (so schien es jedenfalls, während wir in diesem Zimmer saßen, das, wie ich bald bemerkte, mit Hunde- und Katzenähnlichem aller Art gefüllt war, nicht nur die Kissen, sondern auch ein ganzes Gedränge kleiner Figuren auf den Regalen und die Bilder an der Wand), was wir einander nicht sagen konnten, auch wenn wir es nicht unbedingt alles aussprachen, und doch entstand zwischen uns keine Vertraulichkeit, mit Sicherheit keine Wärme, sondern eher etwas Verzweifeltes. Zu keinem Zeitpunkt redeten wir uns anders an als mit Mr. Bender und Mrs. Fiske.
Wir sprachen über Ehemänner und Ehefrauen, über den Tod ihres Mannes, der vor elf Jahren am Schlag gestorben war, während er im Fußballstadion «You’ll Never Walk Alone» gesungen hatte, über den Dauerzustand, dass einem immer wieder Hüte, Schals oder Schuhe von den Toten in die Hände fielen, über nachlassende Konzentrationsfähigkeit, Briefe, die zurückkamen, über das Zugfahren und wie es ist, an Gräbern zu stehen, über all die verschiedenen Arten, wie das Leben aus dem menschlichen Körper herausgepresst werden kann – zumindest habe ich jetzt den Eindruck, dass wir über all diese Dinge sprachen, obwohl es zugegebenermaßen auch möglich ist, dass wir über die Schwierigkeit sprachen, Lavendel in einem feuchten Klima anzubauen, und dass jene anderen Dinge nur der Subtext waren, über den Mrs. Fiske und ich uns so klar verständigen konnten. Aber eigentlich glaube ich es nicht, ich glaube nicht, dass wir überhaupt von Lavendel oder Gärten gesprochen haben. Der bittere Tee wurde kalt, trotz des Teewärmers. Ein paar Strähnen von Mrs. Fiskes grauem Haar lösten sich aus dem Gebilde, das sie frühmorgens arrangiert hatte.
Sie müssen verstehen, sagte sie schließlich. Ich war dreißig, als ich John kennenlernte, und ein paar Wochen vorher hatte ich in einem Ladenfenster einen Blick auf mein Spiegelbild erhascht, ohne Gelegenheit, vorher mein Gesicht zurechtzurücken, und danach, auf der Busfahrt nach Hause, habe ich einiges eingesehen. Es war keine Offenbarung, sagte sie, eher so, dass die Dinge an einen bestimmten Punkt gekommen waren, und das Bild, das mir zurückgespiegelt wurde, brachte das Fass zum Überlaufen. Kurze Zeit später war ich bei meiner Schwester zu Besuch, und ihr Mann brachte einen Freund aus dem Büro mit nach Hause. Plötzlich versuchten John und ich, uns in dem engen Flur vor der Küche aneinander vorbeizuquetschen, ohne uns zu berühren, und da fragte er mich ziemlich unbeholfen, ob er mich wiedersehen dürfe. An dem Abend, als er mich das erste Mal ausführte, war ich bestürzt darüber, wie man seine Füllungen sah, wenn er lachte, und auch über die Dunkelheit, die sich hinten in seiner Kehle sammelte. Er hatte eine Art, lachend den Kopf zurückzuwerfen und den Mund dabei aufzureißen, an die ich mich nur langsam gewöhnen konnte. Ich war, was Sie vielleicht einen ernsten Typ nennen würden, sagte Mrs. Fiske, indem sie an mir vorbei aus dem Fenster schaute, ernst und schüchtern, und trotz der Musik seines Lachens fürchtete ich mich vor dem, was ich dort hinten in seiner Kehle zu sehen glaubte. Aber wir fanden unseren gemeinsamen Weg und heirateten fünf Monate später vor einer kleinen Gruppe Familienangehöriger und Freunde, von denen manche überrascht waren, weil sie geglaubt hatten, ich würde eine alte Jungfer, wenn ich es in ihren Augen nicht schon war. Ich machte John klar, dass ich mit dem Kinderkriegen keine Zeit verschwenden wollte. Wir versuchten es, aber es ging nicht so einfach. Als ich endlich schwanger wurde, hatte ich – es ist seltsam, das zu beschreiben – ein Gefühl wie Ebbe und Flut, die in mich hinein- und aus mir herausspülten: Wenn die Flut kam, war das Kind in mir sicher, und wenn sie ging, wurde es von mir weggezogen, als hätte es anderswo etwas leuchten und schimmern gesehen, und sosehr ich mich auch anstrengte, es zurückzuhalten, ich
Weitere Kostenlose Bücher