Das große Haus (German Edition)
zusammen. Es war ein schrecklicher Unfall, sagte sie. Dann ließ sie mich ruhen, indem sie sanft die Tür hinter sich schloss, und erst als ich hörte, wie ihre Schritte sich die Treppe hinunter entfernten, leiser und leiser wurden und das Zimmer sich langsam, fast gemütlich, zu drehen begann, ging mir auf, wo ich mich befand, dass ich in dem Zimmer lag, das Lottes Kind gehört hatte.
Ich schloss die Augen. Sobald das vorbei ist, dachte ich, werde ich mich bei Mrs. Fiske bedanken, mich verabschieden und mit dem nächsten Zug nach London zurückfahren. Aber schon während ich es dachte, glaubte ich nicht ernsthaft daran. Wieder hatte ich das Gefühl, es würde noch lange dauern, bis ich, wenn überhaupt, das Haus in Highgate wiedersah. Es wurde allmählich kalt, der Kater würde sich sein Fressen woanders suchen müssen. Die Schwimmlöcher würden zufrieren. Was war es, das dort unten schlummerte, an dem weichen, schlammigen Grund, und Lotte Tag für Tag hinunterzog? Jeden Morgen stieg sie hinab wie Persephone, verschwand in den schwarzen Tiefen, um das dunkle Etwas zu berühren. Vor meinen Augen! Und ich konnte ihr nie folgen. Verstehen Sie, wie das für mich war? Als wäre sie allein durch einen kleinen Riss im Vorhang des Tages geschlüpft. Ein Spritzer, und dann Stille, die ewig zu dauern schien. Jedes Mal beschlich mich eine Art Panik. Und genau in dem Moment, in dem ich überzeugt war, sie sei mit dem Kopf an einen Stein gestoßen oder hätte sich das Genick gebrochen, bewegte sich die Oberfläche, und sie tauchte wieder auf, blinzelte sich mit blauen Lippen das Wasser aus den Augen. Etwas hatte sich erneuert. Auf dem Rückweg waren wir schweigsam. Man hörte nur das knirschende Geräusch der Blätter und Zweige unter unseren Füßen, wie von zerbrochenem Glas. Seit sie gestorben ist, war ich nicht mehr dort.
Es muss ein paar Stunden später gewesen sein, als ich wieder aufwachte. Draußen dämmerte es. Ich lag still da und schaute in das stumme, rechtwinklige Himmelseck hinauf. Ich drehte das Gesicht zur Wand. Und da kam mir ein Bild von Lotte im Garten vor Augen. Ich habe keine Ahnung, woher diese Erinnerung stammt, ja, ich kann nicht einmal sagen, ob die Szene überhaupt stattgefunden hat: Lotte steht nahe an der hinteren Mauer, ohne zu merken, dass ich sie aus einem Fenster im Obergeschoss beobachte. Zu ihren Füßen schwelt ein kleines Feuer, das sie, konzentriert über ihre Aufgabe gebeugt, einen gelben Schal über den Schultern, mit einem Stock oder vielleicht mit dem Schürhaken unter Kontrolle hält. Von Zeit zu Zeit wirft sie ein paar Blatt Papier in die Glut oder schüttelt ein Buch, dessen Seiten ins Feuer segeln. Der Rauch steigt spiralförmig in einer violetten Fahne auf. Was sie da verbrannt hat und warum ich sie heimlich aus dem Fenster beobachtet habe, wusste ich nicht, und je mehr ich mich zu erinnern versuchte, umso schwächer wurde das Bild und umso heftiger meine Erregung.
Meine Schuhe standen ordentlich nebeneinander unter einem Stuhl, obwohl ich mich nicht entsinnen konnte, sie ausgezogen zu haben. Ich schlüpfte hinein, strich die Spitzendecke auf dem Bett glatt und ging die Treppe hinunter. Als ich in die Küche kam, stand Mrs. Fiske mit dem Rücken zu mir am Herd. Es war jene Stunde vor Einbruch der Dunkelheit, in der man noch nicht daran gedacht hat, das Licht anzumachen. Aus dem Topf, in dem sie rührte, stieg Dampf auf. Ich zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor, und sie drehte sich um, das Gesicht von der Hitze gerötet. Mr. Bender, sagte sie. Bitte, sagte ich, nennen Sie mich Arthur, was ich sofort bereute, weil ich wusste, dass allein meine Fremdheit ihr so frei zu sprechen erlaubte. Sie sagte nichts, nahm nur eine Schale aus dem Regal, schöpfte etwas Suppe hinein und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Dann stellte sie die Schale vor mich hin und nahm mir gegenüber Platz, genau wie ich es von meiner Mutter kannte. Ich hatte keinen Hunger, aber was blieb mir anderes übrig, als zu essen?
Nach einem langen Schweigen begann Mrs. Fiske wieder zu sprechen: Ich dachte immer, sie würde sich bei mir melden. Sie wusste natürlich, wo wir wohnten. Am Anfang war ich dauernd in Angst, einen Anruf oder einen Brief zu bekommen oder dass sie einfach an der Tür erschiene, um zu sagen, es sei alles ein Irrtum gewesen, sie wolle Teddy zurückhaben. Wenn ich ihn abends in den Schlaf wiegte oder reglos im Dunkeln stand, um ihn nicht durch das Knarren der Dielen zu
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