Das große Heft
Lagerplatz auf. Wir glauben, daß der Feind gekommen ist, aber am nächsten Tag ist die Stadt ruhig; man hört nur das ferne Grollen der Kanonen.
Am Ende der Straße, die zum Stützpunkt führt, steht kein Wachtposten mehr. Dicker Rauch von ekelerregendem Geruch steigt zum Himmel auf. Wir beschließen nachzusehen.
Wir betreten das Lager. Es ist leer. Es ist niemand da, nirgends. Einige Gebäude schwelen noch. Der Gestank ist unerträglich. Wir halten uns die Nase zu und gehen trotzdem weiter. Ein Stacheldrahtzaun stoppt uns. Wir steigen auf einen Wachtturm. Wir sehen einen großen Platz, auf dem sich vier große schwarze Scheiterhaufen erheben. Wir entdecken eine Öffnung, eine Bresche im Zaun. Wir steigen vom Wachtturm herunter, wir finden den Eingang. Ein großes Eisentor, offen. Darüber steht in fremder Sprache: »Übergangslager«. Wir gehen hinein. Die schwarzen Scheiterhaufen, die wir von oben gesehen haben, sind verkohlte Leichen. Einige haben sehr gut gebrannt, nur noch Knochen sind übrig. Andere sind kaum geschwärzt. Es gibt viele davon. Große und kleine. Erwachsene und Kinder. Wir denken, daß man sie zuerst getötet, dann aufgehäuft und mit Benzin Übergossen hat, um sie anzuzünden.
Wir erbrechen uns. Wir rennen aus dem Lager. Wir gehen nach Hause. Großmutter ruft uns zum Essen, aber wir erbrechen uns von neuem.
Großmutter sagt:
- Ihr habt schon wieder irgendein Dreckszeug gegessen.
Wir sagen:
- Ja, unreife Äpfel.
Unsere Kusine sagt:
- Das Lager hat gebrannt. Wir sollten nachsehen. Bestimmt ist niemand mehr drin.
- Wir waren schon dort. Es gibt nichts Interessantes.
Großmutter feixt.
- Die Helden haben nichts vergessen? Sie haben alles mitgenommen? Sie haben nichts Brauchbares dagelassen? Habt ihr gut nachgesehen?
- Ja, Großmutter. Wir haben gut nachgesehen. Es gibt nichts.
Unsere Kusine verläßt die Küche. Wir folgen ihr. Wir fragen sie:
- Wohin gehst du?
- In die Stadt.
- Schon? Sonst gehst du erst abends.
Sie lächelt.
- Ja, aber ich warte auf jemand.
Unsere Kusine lächelt noch mal, dann rennt sie los in die Stadt.
Unsere Mutter
Wir sind im Garten. Ein Militärjeep hält vor dem Haus. Unsere Mutter steigt aus, gefolgt von einem fremden Offizier. Sie gehen durch den Garten, fast im Laufschritt. Unsere Mutter hält ein Baby in den Armen. Sie sieht uns, sie schreit:
- Kommt! Kommt schnell in den Jeep. Wir fahren weg. Beeilt euch. Laßt eure Sachen zurück und kommt!
Wir fragen:
- Wem gehört das Baby?
Sie sagt:
- Das ist eure kleine Schwester. Kommt! Es ist keine Zeit zu verlieren.
Wir fragen:
- Wohin fahren wir?
- In das andere Land. Hört auf, Fragen zu stellen, und kommt.
Wir sagen:
- Wir wollen nicht dorthin. Wir wollen hierbleiben.
Unsere Mutter sagt:
- Ich muß dorthin. Und ihr kommt mit mir.
- Nein. Wir bleiben hier.
Großmutter kommt aus dem Haus. Sie sagt zu unserer Mutter:
- Was machst du hier? Was hältst du in deinen Armen?
Unsere Mutter sagt:
- Ich komme meine Söhne holen. Ich werde Ihnen Geld schicken, Mutter.
Großmutter sagt:
- Ich will dein Geld nicht. Und ich gebe dir die Jungen nicht zurück.
Unsere Mutter fordert den Offizier auf, uns mit Gewalt mitzunehmen. Wir klettern schnell an dem Seil in die Dachkammer. Der Offizier versucht uns zu packen, aber wir treten ihm ins Gesicht. Der Offizier flucht. Wir ziehen das Seil hoch. Großmutter feixt:
- Du siehst, sie wollen nicht mit dir gehen.
Unsere Mutter schreit sehr laut:
- Ich befehle euch, sofort herunterzukommen!
Großmutter sagt:
- Sie gehorchen nie Befehlen.
Unsere Mutter beginnt zu weinen.
- Kommt, meine Lieblinge. Ich kann nicht ohne euch fahren.
Großmutter sagt:
- Genügt dir dein fremder Bastard nicht?
Wir sagen:
- Uns geht es sehr gut hier, Mutter. Fahren Sie ruhig ab. Es geht uns sehr gut bei Großmutter.
Man hört das Schießen der Kanonen und Maschinengewehre. Der Offizier nimmt unsere Mutter an den Schultern und zieht sie zum Wagen. Aber Mutter reißt sich los:
- Es sind meine Söhne, ich will sie! Ich liebe sie!
Großmutter sagt:
- Und ich brauche sie. Ich bin alt. Du kannst noch andere machen. Der Beweis!
Mutter sagt:
- Ich flehe Sie an, halten Sie sie nicht zurück.
Großmutter sagt:
- Ich halte sie nicht zurück. Los, Jungens, kommt sofort herunter und fahrt mit eurer Mama weg.
Wir sagen:
- Wir wollen nicht weg. Wir wollen bei Ihnen bleiben, Großmutter.
Der Offizier nimmt unsere Mutter in seine Arme, aber sie stößt ihn zurück. Der Offizier
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