Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Theke, ordert ein paar Tapas und das erste Glas von vielen, und zack ist man im Gespräch.
September ist ohnehin die perfekte Zeit: Die Stadt kehrt langsam aus den Sommerferien zurück, Läden werden wieder geöffnet und auch die Bars, die im August Betriebsferien gemacht haben. Am El Xampanyet zum Beispiel, 200 Meter von meiner Wohnung entfernt, bin ich schon ein paarmal vorbeigegangen, ohne es wirklich gesehen zu haben. Als neulich zum ersten Mal die Rollläden hochgezogen waren und die Familie den Laden durchfeudelte, dachte ich: Das könnte nett werden.
Und das war es auch. Eine herzliche Thekenmannschaft, lecker Cava plus zwei Tapas für 5,50Euro: der ideale Ort für einen Aperitivo. Ich traf mich hier mit Hans, dessen Wohnung ich fast gemietet hätte: einem weiteren Nomaden in meiner Sammlung. Gebürtiger Österreicher, als Fernsehrechtedealer in Barcelona, Köln, New York und Kapstadt zuhause. Und natürlich erzählte er mir als Erstes, wie alle anderen, seine schönsten Diebstahls- und Einbruchserlebnisse in Barcelona: » Es ist schlimmer als in Kapstadt.«
Diebstahl gilt hier nicht als Verbrechen, sondern als Ordnungswidrigkeit. Bei ihm wurde eingebrochen, man konnte den Täter sogar ermitteln– nur wurde nie gegen ihn vorgegangen. Der Einbrecher, der keine 70 Meter von ihm entfernt wohnt, spaziert also gemütlich weiter in Hans’ geklauter Jacke durch die Gegend.
Meine zweite Lieblingsbar: das Vinya del Señor, direkt neben der wirklich wunderschönen Kirche Santa Maria del Mar, eine Empfehlung meiner Vermieterin Candela.
Gegenüber wird der Herr gelobt, hier an der Bar über die Touristenmeile getobt: » Die Ramblas? Furchtbar! Wir kreuzen die höchstens mal, aber auch nur, wenn es nicht anders geht«, sagt Candela.
Sie ist Argentinierin aus Buenos Aires, wird ab Herbst Schiffsingenieurswesen studieren, um dann über alle Meere zu fahren, ist mit einem Japaner liiert und lebt seit drei Jahren hier. Ihre zweite Option wäre New York gewesen, sie spricht fließend Englisch.
Mir gefallen ja solche Menschen, die den ganzen Globus als potentiellen Wohnort betrachten. Wie sähe ihr ideales Zuhause aus? Halb Barcelona, halb Berlin, sagt sie. » Die Leute dort sind so locker!«
Ihre Heimat Buenos Aires dagegen– nein, das kann sie sich nicht mehr vorstellen. » So laut! Und die Leute so rücksichtslos! Immer drängeln sie sich vor!«
Ich muss lachen: Berlin, eine Traumstadt für Menschen, die Rücksicht und Höflichkeit schätzen? War mir neu.
Candela ist bereits die Zweite hier, die Deutschland als Sehnsuchtsort nennt. Ihr Freund Momo, der mich vom Flughafen abgeholt hat, schwärmte ebenfalls. Er, Pakistani, hat 14 Jahre lang in Freiburg/Breisgau gelebt und seufzt bis heute beim Gedanken an die Zeit. Ich habe es längst aufgegeben, denjenigen, die von Deutschland träumen, zu widersprechen und seine Nachteile aufzuzählen: die Kühle, der Grundpessimismus, die Neigung zum Jammern auf höchstem Niveau. Stattdessen höre ich gut auf ihre Argumente. Die Sicherheit, die Sauberkeit, die Schönheit der Landschaft, die Vielfalt der Städte, die Geschichte… Ich muss zugeben, beim Zuhören überkommt mich immer ein kleines warmes Gefühl. Sie hat schon was, die olle Heimat. So von außen betrachtet.
Nach vier Monaten Englischsprechen am Stück (denn das war auch in Kopenhagen praktisch zweite Landessprache) habe ich eigentlich gedacht, dass mir der Rückfall in die gefühlte Sprachlosigkeit– ich mit meinem Minimalst-Spanisch und null Katalan– schwerfallen würde. Stattdessen: wieder das schon bekannte Entzücken, auf dem Markt das einzukaufen, was irgendwie interessant aussieht und dann zuhause per Google-Übersetzer herauszufinden, was es ist.
Anguila ahumada con azafran precortada: aha, Carpaccio von Räucheraal mit Safran. Hätte ich vermutlich nie gekauft, wenn ich es vorher gewusst hätte, aber es ist absolut köstlich. Altramuces: oh, Lupinenkerne. Und wie isst man die? Die glückliche Ahnungslosigkeit und damit das tägliche Entdecken von etwas Neuem hat mich wieder, und ich finde es ganz herrlich.
Zum Prinzip der Ahnungslosigkeit gehört ebenfalls, auf meinen Spaziergängen durch den Born auf Läden wie Vila Viniteca zu stoßen, in dem sich die Weinflaschen bis unter die Decke stapeln und sich die Verkäufer gerade ein kleines bisschen langweilen. Besser wird’s nicht, denn jetzt bringe ich meinen Zaubersatz an, No sè lo que es bueno, ich kenne mich nicht aus. Und dann blond lächeln.
Es
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