Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
unentspannt kenne ich mich überhaupt nicht mehr. Der Wechsel von Kopenhagen nach Barcelona war, so absurd das klingt, fast ein größerer Kulturschock als der zwischen Buenos Aires und Mumbai.
Dabei kenne ich es ja schon, dass ich an Transfertagen immer etwas schlechter gelaunt bin. Die alte Stadt zieht jedes Mal Fäden, fast immer wünsche ich mir, länger bleiben zu können, wo ich mich doch gerade so schön eingelebt habe. Immer wieder ist da anfangs ein kleiner Widerwille gegen den neuen Ort, der sich dann aber schnell in Luft auflöst. Im ersten Abschnitt der Reise hat geholfen, dass ich bis zu 24 Stunden fliegen musste, um zum nächsten Ziel zu gelangen. So anstrengend solche Passagen physisch sind, so entspannend sind sie psychisch: Man kann sich schon mal ein bisschen im Kopf akklimatisieren, Abschied vom Alten nehmen, sich gedanklich im Neuen einrichten. Hier im winzigen Europa aber geht mir alles zu schnell: in zwei, drei Stunden in einem neuen Leben zu sein– da fehlt mir einfach der Puffer.
Die ersten Eindrücke von Barcelona haben meine Laune nicht gerade verbessert. Eindruck 1: katalanische Barmänner, die so tun, als ob sie kein Wort Spanisch verstehen und Weingläser nur halb voll schenken.
Eindruck 2: von allen Seiten eindringliche Warnungen vor dem grassierenden Handtaschenklau. » Nehmen Sie bloß nie Ihren Laptop mit ins Café! Oder Ihr Handy! Oder Ihre Kamera!«, sagte meine Vermieterin; » Vorsicht, Ihre Handtasche steht offen«, warnte eine Frau hinter mir in der Supermarktschlange; ein Dutzend Kommentatoren in meinem Weblog schilderten ihre schönsten Diebstahlsstorys. Quintessenz: Jeder ist hier schon mal beklaut worden. Jeder. Na super. Ich hasse es, mit Generalverdacht und Misstrauen gepanzert durch eine Stadt zu gehen. Mag berechtigt sein, macht aber trotzdem keinen Spaß.
In solchen Situationen muss man einmal tief durchatmen und sich dann selbst kräftig auslachen. Es ist nämlich eine ganz klassische Reisefalle: ein paar zufällige Erlebnisse und Hörensagen-Geschichten, das Ganze hochgerechnet zu einer gefühlten Wahrheit, für die man ab da einfach nur weitere Belege sucht. Wenn man es darauf anlegt, kann man sich auf diese Weise jeden Ort versauen, und zwar für alle Zeiten.
Natürlich neigt man als Reisender dazu, seine Erfahrungen zu generalisieren– ich nicht minder: Wenn ich also von katalanischen Barkeepern schreibe, die den Touristen nicht die Gläser voll machen, ist das natürlich Unsinn: Es waren gerade mal zwei. Von Tausenden, die mir noch nichts eingeschenkt haben. Und selbst solche Erlebnisse haben Dutzende von denkbaren Verlaufsvarianten. An gut gelaunten Tagen hätte ich gelacht, » Un poco màs, por favor« gesagt, und die Sache wäre erledigt gewesen. Stattdessen habe ich stumm gemufft. Und übel genommen. Schön blöd und selber schuld, ich weiß es ja wirklich besser.
Ich habe circa eine Woche gebraucht, bis meine schlechte Laune endlich verpufft war. Man muss eine Stadt nehmen, wie sie ist, und irgendwann habe ich beschlossen, es einfach so zu machen wie die Barcelonesen: alle Fenster weit auf, den Krach als unterhaltsamen Soundtrack betrachten und bei Gelegenheit entspannt zurücklärmen. Dann kriegt meine Nachbarin von gegenüber jetzt halt als Antwort auf ihre beschissene Autoscooter-Musik eine Ladung Thelonious Monk retourniert, bestimmt nicht minder nervig für sie.
Nur zur Siestazeit zwischen zwei und vier ist die Carrer d’En Boquer demilitarisierte Zone, und auch das habe ich schnell gelernt: wie nett so ein Schläfchen am helllichten Tag ist. Anfangs hatte ich ernsthaft erwogen, in ein ruhigeres Quartier umzuziehen, jetzt denke ich nicht mehr daran. Wenn man in zehn Minuten Fußentfernung einen traumhaften Park (La Ciutadella), zwei Märkte (Santa Caterina und La Boqueria), drei Kathedralen und ein Meer erreicht, soll man still die Hände falten und das Schicksal preisen. Das geht einfach nicht besser in einer europäischen Innenstadt.
Und ein bisschen war es so, als ob mich Barcelona mit all dem Getöse endlich mal wieder aus dem Haus treiben wollte. Anders als in Kopenhagen, wo mich meine protestantische Arbeitsethik voll erwischt hat– verbunden mit seltsamen Nostalgie-Flashes, ich habe Dir ja davon erzählt– und ich irrsinnig viel gearbeitet habe, bin ich hier fast jeden Abend mit jemandem verabredet und versacke beim Cava. Barcelona ist eine Ausgehstadt, die übrigens auch ganz großartig allein funktioniert. Man stellt sich an eine
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