Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
klappt praktisch immer. Man überschlägt sich, berät mich, gibt mir zu probieren, und am Ende ziehe ich glücklich mit etwas ziemlich Gutem von dannen. Darin steckt eine der wichtigsten Lehren dieses Jahres: Nichts ist schädlicher für erfolgreiches Reisen als bestens vorbereitetes Bescheidwissertum. Wie soll man denn überhaupt was lernen mit dieser Haltung? Dagegen abends ein bisschen schlauer sein als morgens– unbezahlbar.
Beim Schlauerwerden helfen mir auch die Kommentatoren meines Weblogs. Du liest es ja auch: Nicht nur überschütten sie mich mit guten Tipps für Bars und Restaurants und mit Kontakten zu Freunden und Bekannten, oft kommen auch ganz muntere Debatten in Gang. Oder eine dahingeworfene Frage wird fachmännisch beantwortet. Als ich mich zum Beispiel über den staubigen Strand von Barceloneta wunderte und mich fragte, bis wann es eigentlich Sand ist und ab wann Dreck, half sofort eine Geologin namens Uta aus:
» Uta @meike Sand hat eine Korngröße zwischen 63 μ m–2mm. Das meiste Strandmaterial besteht aber nicht unbedingt nur aus Sand (im Sinne der Korngröße), sondern auch aus Schluff und Kiesen. Aus sogenanntem gewaschenem Sand ist die nächst kleinere Korngröße, der Schluff, ausgewaschen. Der Schluff stiebt ansonsten wirklich.«
» meike @Uta Danke! Danke vor allem für das Wort » Schluff«. Immer wieder schön zu erleben, wie unvollkommen man seine eigene Sprache beherrscht, das Wort ist völlig neu in meinem Vokabular. Ist es das, was wir Laien mit Staub meinen? Und kann es sein, dass der Strand von Barcelona durchaus ursprünglich aus gewaschenem Sand bestand und die Stadt quasi beim Ausatmen einfach drübergeschlufft hat?«
» Uta @meike Die Stadt mit all ihren Baustellen und Autos tut alles dafür, dass Feinstaub produziert wird und dieser sich fein säuberlich Richtung Meer bewegt, wo er dann ordnungsgemäß runterrieselt und den Strand verunstaltet. Sicherlich werden auch Abwässer in das Meer geleitet, die genügend Sedimente mit sich führen und die dank der Meeresströmung am Strand wiede r abg elegt werden. Da hat man es wieder… der Mensch ist schuld.«
Machen Spaß, solche Konversationen. Sie ändern aber auch mein Schreiben. Bislang war ich eine Einbahnstraßenkommunikation gewohnt: Ich schreibe einen Artikel ins Blaue hinein, er wird gedruckt, Ende der Geschichte. Von wenigen Leserbriefen mal abgesehen. Bloggen dagegen ist eine Unterhaltung: Ich weiß, wer mich liest; was ich schreibe, wird sofort kommentiert; Fragen und Kritik kann ich im Gegenzug schnell beantworten. Viel befriedigender! Unter den regelmäßigen Lesern hat sich inzwischen ein kleiner harter Kern von Leuten gebildet, die sich auch untereinander austauschen. Ich habe in Kopenhagen zwei Wochen Blogpause gemacht, und das Gespräch lief munter weiter– Frau Wirtin macht Urlaub, die Gäste treffen sich trotzdem in der Kneipe.
Einige Kommentatoren sind mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Es ist ein irritierendes, aber beglückendes Gefühl, sich von Unbekannten so begleitet und verstanden zu fühlen. Vielleicht ist es ja eine doppelte Illusion: Man liest einander und fühlt sich in der Reduktion auf die paar Sätze näher, als das im wahren Leben, in 3D und Echtzeit möglich wäre. Und natürlich: Im wahren Leben wären wir uns vermutlich nie begegnet.
Ein Fall beschäftigt mich besonders, weil er mich viel über meine Vorurteile gelehrt hat: Eine 60-jährige Hamburgerin namens Aimée, die ich in Hamburg nie und nimmer kennengelernt hätte– Stichwort: Elbchaussee/Golfclub/Poloclub, eine ganz fremde Welt für mich–, hat sich im Lauf des Jahres zu einer meiner wichtigsten Vertrauten entwickelt. Wir chatten inzwischen nahezu jeden Tag per Skype, sie hat ein bemerkenswertes Talent, immer die richtigen Fragen zu stellen, unbefangen, klug und heiter.
So stelle ich mir gute Therapeuten vor (sie ist keine): eine Instanz aus respektvoller Neugier und freundlicher Nähe, die einen auf eine Weise zum Reden bringt, wie das selbst bei guten Freunden wie Dir, mein Alter, nicht notwendigerweise funktioniert. Wir kennen uns einfach zu gut, und das heißt eben auch: Wir haben unauslöschliche Bilder voneinander im Kopf. Du kennst eine bestimmte, zum Teil vielleicht sogar veraltete Version von mir, die ich wiederum bestimmt oft unbewusst bediene und bestätige. Für Aimée hingegen bin ich ein weißes Blatt Papier, das ich völlig neu beschreiben kann– und genau das brauche ich in diesem Jahr, in dem
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