Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
so lieb geworden wie kaum etwas sonst, das ich je besessen habe. Vielleicht werden sie mir jetzt das Heimkommen ebenso erleichtern wie das Fortsein.
Aber um zurückzukommen, musste ich erst mal wieder ins Flugzeug steigen. Der einzige Frachter Richtung Hamburg ist die Bahia Laura, die auf der Südamerikaroute von Valparaiso durch den Panamakanal und die Karibik über Rotterdam und zurück pendelt. Für einen Rundtörn braucht sie 56 Tage. Ihre von Kuba aus nächstgelegenen Häfen sind Cartagena in Kolumbien und Caucedo in der Dominikanischen Republik.
Bis kurz vor Weihnachten stand der genaue Abreisetermin in den Sternen. Den diktiert die Ladung und das Wetter, er kann sich auch mal zwei, drei Tage verschieben. Aber dann ging alles ganz schnell: Am ersten Weihnachtstag flog ich von Havanna nach Santo Domingo und kämpfte mich durch die Einreiseregularien am Flughafen, nur um eine halbe Stunde später, im Büro der Hafenbehörde von Caucedo, wieder auszureisen. Ein schnauzbärtiger Mann, der gerade Reis und Bohnen aus einer Plastikschale aß, stempelte meinen Pass ab und sagte: » Buen viaje.«
Nie war ich kürzer in einem Land, ein Turboabschied aus einem langen, sehr langen Jahr.
Je älter man wird, so klagen viele, desto schneller vergeht die Zeit. War nicht eben erst 2010? Durch die ewige Wiederkehr des Gleichen scheint jedes Jahr wie das letzte zu sein, ununterscheidbar, ganz anders als bei Kindern, die ständig Neues entdecken und Premieren erleben. Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, jetzt, wo Du wieder Zivilist bist. Verrinnt das Leben gleichförmiger, vermisst Du die stressige, aber intensive Zeit in aller Welt?
Mein Jahr war jedenfalls wie ein Kinderjahr, so lang. Ein endloser Sommer voller Sensationen, die größten aller Großen Ferien. Ich bin sehr gespannt, ob es mir gelingen wird, diesen simplen Trick der Lebensverlängerung– das Vermeiden von Gewohnheit– auch zuhause anzuwenden. Es dürfte deutlich anstrengender werden als unterwegs.
2012 ist mittlerweile zwei Tage alt, es hat angenehm unspektakulär begonnen. Weihnachten spielte an Bord keine große Rolle, wie auch? Am ersten Feiertag lagen wir ja noch im Hafen von Caucedo und das Schiff musste gelöscht werden; bei Frachtpassagen zählt jede Minute. Am zweiten Feiertag hatte der Kapitän abends immerhin eine Flasche Rotwein auf den Tisch gestellt. Und die Reederei hatte für jeden einen bunten Teller mit Lebkuchen und Schokoweihnachtsmännern spendiert, der mich, den alten Weihnachtsmuffel, dann doch gerührt hat.
Silvester bestand aus einem 30-Liter-Fass Bier in der Offiziersmesse, zwei Untertassen mit Erdnüssen und dröhnend lauten Jennifer-Lopez-Videos von einer DVD . Die polnischen Offiziere saßen auf dem Sofa und tranken still, wir anderen hingen an der Bar und tranken etwas lauter. Kapitän Bergmann erzählte von Santos in Brasilien und seinem legendären Rotlichtviertel. Mit 16 war er zum ersten Mal da gewesen, von nix eine Ahnung. Irgendwer drückte ihm ein Mädchen in den Arm, auch so ein junges Ding. Große Liebe, klar, man tauschte Adressen und schickte sich Fotos. 30 Jahre später saß er mal wieder in einer Bar in Santos, da tippt ihm von hinten eine auf die Schulter: Ihre Freundin da drüben würde ihn kennen. Ach ja? Ja. Das Mädchen von damals. » Die kam dann rüber«, sagte Bergmann und schüttelte den Kopf, » und hatte allen Ernstes das Foto von mir als 16-jährigem im Portemonnaie. Nach all den Jahren. Unglaublich.«
Und dann? Nichts weiter, bisschen geredet, fertig. Kein Hollywood-Happy-End. Das Leben ist nicht so. Oder ist es das doch? Dass Du Dich nach all den Jahren wieder gemeldet hast, ist jedenfalls schon mal verdammt hollywoodreif, muss ich sagen. Wir werden sehen, mit welchem Ende.
Das Ende meines Jahres jedenfalls war ein sanftes Hinaus- und Hinübergleiten, ganz nebensächlich, und ich war froh darüber. Bis Mitternacht (bei 38 ° 30,2 N und 023 ° 41,5 W, also etwa 100 Seemeilen östlich der Azoren) haben nur fünf Leute durchgehalten: Czeslaw und Boguslaw, Tony, Bergmann und ich. Wir stießen mit einem letzten Glas Bier an, wünschten uns gähnend Happy New Year und verzogen uns dann schnell in unsere Kojen.
Das war’s.
Party vorbei, Reisejahr vorbei.
Die Reise ist es noch nicht ganz. Wir fahren gerade durch die Biskaya und die See wird deutlich ruppiger. Als ich zugestiegen bin, hat mich jeder, wirklich jeder gefragt, wie seefest ich sei. Winter sei Orkanzeit, es werde garantiert ungemütlich. »
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