Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Habe ich nur nicht gut genug geguckt? Oder muss ich, um so glücklich zu bleiben, wie ich es in diesem Jahr war, künftig zwischen den Welten pendeln?
Das Schöne ist: Der Zufall oder das Glück oder das Schicksal hat mir in Annette genau den richtigen Gesprächspartner für dieses Rumoren geschickt. Sie ist gerade selbst in einer Umbruchsituation und stellt ihr Leben neu auf die Füße. Wir haben nächtelang bei viel Rum auf der Plaza Catedral gesessen, einem heimeligen kleinen Quadrat mit Säulengängen an zwei Seiten, einer Kathedrale an der dritten und einer Bar an der vierten Seite– unser steinernes Wohnzimmer. (Wenn sich übrigens bei Dir der Eindruck breitmachen sollte, wir hätten viel getrunken, so ist das völlig korrekt. Man hat keine andere Wahl auf Kuba.) Dass alles ganz anders werden müsse und schon dabei ist, anders zu werden, darüber haben wir viel geredet und auch, wie das geht. Über Mut und Möglichkeiten, über das Verlassen des Alten und die Suche nach dem Neuen.
»Du musst dein Ändern leben!«
»¡Salute!«
»¡Venceremos!«
Die privaten Revolutionen muss jeder für sich selbst anzetteln, auf einen Máximo Lider kann man nicht bauen.
Wir streiften durch die Stadt, guckten uns im Revolutionsmuseum das goldene Telefon des Diktators Batista und die Fotos des lässigen jungen Che Guevara an, aßen Eis in der legendären Eisdiele Cordelia und Kaninchen mit Nelken im Paladar La Guarida. Wir ließen uns die Haare schneiden bei Papito, der in seiner Privatwohnung eine Art Friseurmuseum mit angeschlossenem Salon betreibt, und tranken dicke heiße Schokolade im Museo del Chocolate. An einem stürmischen Tag fuhren wir mit dem Bus an den Strand von Santa Maria del Mar und hörten mit anderen, die sich mit uns vor einem Regenschauer unter ein Blätterdach geflüchtet hatten, bei steifen Mojitos einer Drei-Mann-Kombo zu– ungeplantes Glück. Die allerbeste Sorte Glück.
Ohnehin waren solche bedeckten Tage in Havanna für mich fast die schönsten: An einem Sturmtag war der Malecon, die berühmte Uferstraße, für Autos gesperrt. Wir gingen fast allein über die breite Straße bis zum Hotel Nacional und guckten den Kindern beim Wettrennen gegen die Gischt zu.
Wind! Wellen! Algen und Sand im Gully! Es war wie ein ferner Gruß von Zuhause, von der Nordsee, die mich schon bald wieder empfangen würde, und vom Atlantik, den ich zuvor überqueren musste.
Annette flog zurück, ich blieb noch ein paar Tage bis Weihnachten. Vor meiner Heimreise arbeitete ich fieberhaft meine Aufträge ab– » für den Fall, dass der Kahn sinkt«, wie eine Redakteurin nur halb im Scherz mailte. Ich schrieb und aß und schrieb und trank und schrieb und trank noch mehr– eine Hemingway-Existenz, nur ohne Hochseefischerei. An Heiligabend aß ich ein Chateaubriand in Hemingways verwaister Lieblingsbar La Floridita und trank drei Daiquiris dazu, etwas melancholisch. Aber nicht wegen Weihnachten, das war mir herzlich egal, sondern weil es mein letzter Tag in meiner letzten Stadt war. Ein letztes Mal würde ich meinen Koffer packen, ein letztes Mal mein 22-Kilo-Leben in die Hand nehmen.
Ich weiß noch, dass ich Dich damals immer dafür bewundert habe, wie sehr Du Deine Sachen im Griff hattest und wie wenig sie Dich. Nach einem Jahr Leben aus dem Koffer mit immer denselben Klamotten (plusminus ein paar T-Shirts, die hinein- und wieder hinauswanderten) weiß ich, glaube ich, wie es geht. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich empfand die Uniform, zu der ich mich selbst diszipliniert habe, diese Kleidungsdiät aus wenigen dunkelblauen Teilen und drei Paar Schuhen plus Flip-Flops, als enorm befreiend. Nie habe ich einen Gedanken daran verschwenden müssen, was ich anziehe; es gab ja nun auch wirklich Spannenderes. Ich denke, es wird Konsequenzen für meinen Kleiderschrank zuhause haben. Vielleicht stürze ich mich aber auch, wer weiß, erst mal ausgehungert auf alles, was dort hängt, und trage anfangs täglich drei verschiedene Outfits.
Wie immer das Letzte im Koffer, bevor ich ihn schloss, waren die Dinge, die mir unterwegs zugelaufen und im Lauf des Jahres zu meinem mobilen Zuhause geworden sind: meine kleine Teekanne, längst wieder dunkel angelaufen, ein indischer Morgenmantel, dessen Gürtel schon ein wenig ausfranst, ein paar Bambuspantoffeln, die mir meine Shanghaier Vermieterin zum Abschied geschenkt hatte. Ich habe jeden einzelnen Tag mit diesen drei Gegenständen begonnen, sie sind mir
Weitere Kostenlose Bücher