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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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Glück.“ „Dann bringe mir doch auch meines mit.“ „Was ist denn das?“ „Ich fahre schon an tausend Jahre die Leute über und Niemand kommt, um mich abzulösen,“ antwortete die Frau. Der Jüngling versprach es ihr bereitwillig, sprang am andern Ufer ans Land und marschirte rüstig weiter, bis er an einen großen Wald kam.
    Da irrte er den ganzen Tag umher; gegen Abend traf er auf ein Waldhaus, da klopfte er an. Eine schöne junge Frau öffnete ihm die Türe, aber sie erschrak offenbar, als sie ihn erblickte. „Könnte ich die Nacht wohl hier bleiben?“ frug der Jüngling. „Ach, ihr seit zu eurem Unglück hierher gekommen,“ sprach sie „und hier dürft ihr nicht bleiben, denn ihr seit eures Lebens nicht sicher.“ Hier wohnt ein Menschenfresser, der verschont keines und wenn er euch findet, dann ist es um euch geschehen. „Ich bin aber so müde, dass ich nicht weiter kann,“ sprach der Jüngling, „wolltet ihr mich nicht irgendwo verstecken?“ „Das kann ich nicht,“ antwortete sie, „denn er riecht euch und zudem ist er allwissend und sieht Alles, was auf der Erde vorgeht.“ Aber der Jüngling bat so lange, bis sie endlich doch einwilligte. Die schöne Frau brachte das Abendbrot und sie setzten sich zusammen zu Tische. Während sie aßen, erzählte er ihr von seiner Reise und den Fünfen, denen er ihr Glück mitbringen solle, wodurch eigentlich sein Glück gemacht wäre, denn wenn er so viel Gold von den Königen bekäme, dann wäre er geborgen auf Lebenszeit. Die Frau war von Herzen sehr gut und sie versprach ihm, den Menschenfresser auszuforschen, der werde schon Alles wissen.
    Plötzlich rauschte und brauste es im Walde, als ob alle Bäume brechen wollten. „Da kommt er!“ schrie die Frau und schnell kroch der Jüngling unter das Bett. Kaum lag er da, als die Thür aufflog und der Menschenfresser herein trat.
    ›Menschenfleisch riech ich!
    Menschenblut genieß ich!
    Wen hast du heim?‹
    schrie er. „Ei Narr,“ sprach die Frau, „wirst du dich denn nie an mich gewöhnen, mich hast du heim und hier steht dein Essen, das lass dir schmecken und damit holla.“ Er wollte ihr antworten und machte gar Miene, unters Bett zu greifen, da drückte sie ihn auf seinen Stuhl nieder und schob ihm einen Löffel voll über den andern in den Mund. Als sie ihn recht voll gestopft hatte, so dass er sich kaum mehr regen konnte, packte sie ihn am Kragen und rief: „Nun steh auf und mache, dass du in dein Bett kommst, ich kann dich nicht hinein tragen. Nur nicht lange dagesessen, rasch, sonst schläfst du mir noch ein.“ Da raffte er sich langsam auf und wankte nach dem Bette zu; plumps fiel er hinein, sie schob die Beine nach und es dauerte keine zwei Minuten, da blies er schon, wie ein Blasbalg und bald schnarchte er, dass man's weit im Walde hörte.
    Da rief die schöne Frau dem Jüngling zu: „Nun merke wohl auf, was er sagt, wenn ich ihn frage;“ sie legte sich zu dem Menschenfresser und stieß ihn derb in die Seite. Er fuhr auf und brummte unwirsch: „Was fällt dir ein, du Närrin?“ Sie sprach: „Mir träumte, ein König habe einen Baum mit goldnen Früchten gehabt, jetzt trage er aber keine mehr, was mag die Ursache davon sein?“ „Das weiß ich,“ knurrte der Menschenfresser; „eine von den Kammerjungfern der Prinzessin hat heimlich ein Kind geboren; sie hat es getötet und an der Wurzel des Baumes begraben. So lange das unschuldige Blut um Rache schreit, kann der Baum keine goldnen Früchte tragen; wird es aber hinweggenommen und sie bestraft, dann trägt er noch reichlicher als vorher.“ Und nachdem er dieß gesagt hatte, legte er sich aufs andere Ohr und schlief wieder ein.
    Ueber eine Weile gab sie ihm abermals einen Rippenstoß, so dass er auffuhr und brummte: „Was willst du denn schon wieder?“ „Mir träumte,“ sprach sie, „ein König habe einen Brunnen, woraus goldne Perlen sprängen und der sei ihm versiegt. Woher mag das wohl kommen?“ „Das weiß ich,“ knurrte der Menschenfresser, „es sitzt eine große Kröte im Brunnen vor der Quelle; wenn man die herausholt, dann springt der Brunnen noch reicher als vorher. Jetzt lass mich ruhig schlafen.“ Und er legte sich auf die Seite und schnarchte sein Stückchen weiter.
    Er hatte aber noch nicht manche Note geschnarcht, da gab ihm die Frau einen Schlag hinter das Ohr, so dass er in die Höhe fuhr und schrie: „Bist du toll geworden, oder was fehlt dir?“ „Ach ich träume die Nacht so schwer,“ sprach sie.

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