Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
für lange Zeit, denn das Menschenherz ist ein sonderbares Ding und nimmer zufrieden mit dem, was es hat. Kaum vierzehn Tage später zogen ihrer sieben auf die Jagd hinaus und unterwegs beschlossen fünf, den andern Morgen allein auszugehn und zu desertiren. Das war wohl sehr heimlich verabredet, doch die Königstochter wusste es im selben Augenblick und sagte es am Abend ihrem lieben getreuen Johannes Erlöser wieder, frug ihn auch, wie lange er nun glaube schon da zu sein. „Etwa vier Wochen“ sprach er. „Du irrst sehr,“ erwiederte sie, „es geht bereits ins neunte Jahr und denke, ihr habt nur noch so kurze Zeit auszuhalten.“ Als der Feldwebel der Mannschaft die Sache vorhielt, war für einen Augenblick wieder Alles gut, bald aber wurden sie wieder rebellisch, gingen zum Feldwebel und sprachen, er könne nicht wissen, ob die Königstochter ihn und sie zu Narren halte; am Ende sei die ganze Geschichte erlogen und statt seiner Prinzessin hätte jeder einen Dreck; sie wollten sich von der Wahrheit überzeugen und ihre künftigen Gemahlinnen sehen. Der Feldwebel mahnte sie davon ab, denn es schwante ihm nichts Gutes, doch sie bestanden darauf, er müsse es der Königstochter sagen und wenn sie nicht ihren Willen thäte dann gingen sie allesammt ihres Weges.
Als der Feldwebel Abends der schönen Jungfrau Alles vortrug, seufzte sie und sprach: „Ach, wenn sie es doch nicht verlangten, da sie aber nicht anders wollen, so sage ihnen, sie sollten morgen Mittag um zwölf Uhr zum Fenster hinaus sehn, dann sähen sie uns in unserer Verwünschung.“ Die Mannschaft freute sich, als der Feldwebel ihr das mitTeilte und am folgenden Mittag wollte jeder der erste am Fenster sein. Und was sahen sie da? Lauter Löwen, Tiger, Drachen und dergleichen Untiere sahen sie, so dass sie nichts Eiligeres zu tun hatten, als in das Zimmer zurückzueilen und sie wollten nicht mehr hinausgucken. Statt sich nun zufrieden zu geben, gingen sie am andern Tage zu dem Feldwebel und sprachen, das sei eine schöne Geschichte, dass sie lauter Drachen und grimmige Katzen zu Frauen haben sollten, deren gebe es genug und darum wollten sie keine zwölf Jahre lang in dem Schlosse hocken; wenn sie die Prinzessinnen nicht in menschlicher Gestalt sehen könnten, dann gingen sie alle ihres Weges. Vergebens versuchte der Feldwebel sie davon abzubringen, es half ihm nichts und er war gezwungen, Abends der Jungfrau das Begehren der Mannschaft mitzuTeilen. Da seufzte sie tief auf und sprach: „Ach wenn sie es doch nicht verlangten! Da sie aber nicht anders wollen, so sage ihnen, sie würden uns morgen Abend sehen und wir wollten mit ihnen zu Nacht essen; keiner aber dürfe reden und noch weniger eine der Jungfrauen berühren.“
Der Feldwebel sagte der Mannschaft Alles, was die Königstochter ihm gesagt und warnte sie wohl, dem guten Rathe zu folgen und nicht Alles zu verderben. Sie waren mit dem Versprechen rasch bei der Hand, doch vom Versprechen bis zum Halten ist ein großer Schritt. Abends war die Tafel für sechsundzwanzig Personen gedeckt und als das Essen aufgetragen wurde, da kam die schöne Königstochter mit den zwölf Prinzessinnen und es war immer eine schöner als die andere. Sie setzten sich zu Tische jede neben ihren zukünftigen Gemahl. Da war es nun eine schwierige Aufgabe, ganz still zu schweigen und sich nicht zu rühren und Alles hätte gut gegangen, wenn der Jüngste, dem der Wein nach und nach zu Kopfe stieg nicht plötzlich aufgesprungen wäre und seiner Prinzessin einen herzhaften Kuss gegeben hätte. Das war gefehlt, denn nun tat es einen Donnerschlag, dass Allen die Besinnung verging, die Lichter erloschen und als die Dreizehn wieder zu sich kamen, waren die Prinzessinnen verschwunden und nichts mehr von ihnen zu hören noch zu sehn. Ach du liebe Zeit, jetzt ging das Jammern an, aber zu spät ist zu spät. Am folgenden Abend kam die schöne Königstochter zum Feldwebel und sprach: „Ach, dass sie es nicht anders gewollt haben! Zehn Jahre hatten sie schon ausgehalten und die Erlösung wäre sogleich vollendet gewesen. Jetzt aber mögen sie nur machen, dass sie fortkommen, so lieb ihnen ihr Leben ist. Jeder mag sich einen zweispännigen Wagen mit Gold nehmen und nur sich hüten, hierher zurück zu kehren.“ Dieß verkündigte der Feldwebel ihnen, doch nun wollten sie den Prinzessinnen zum Trotz dableiben. Als es aber zum Mittagsessen ging, da war für den Feldwebel allein gedeckt, für die Zwölfe nicht. Sie hatten Hunger und
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