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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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Saal war für dreizehn Mann gedeckt, zwölf Messer, Gabeln und Löffeln von Silber und ein Besteck von Gold, im ganzen Schloss war aber keine Seele zu sehn. „Das ist keinem Tauben gepfiffen,“ sprach der Feldwebel, trank ein paar Flaschen Wein und schnitt sich einen tüchtigen Fetzen Braten ab, denn als guter Commandant wollte er sich wenn auch mit eigener Lebensgefahr überzeugen, dass die Speisen und Getränke gut seien und kein Gift oder anderes schädliche Wesen sich darin befinde. Davon war er jetzt vollkommen sicher, denn er war so kreuzfidel geworden, dass er seine Mannschaft vor lauter Freude durchprügelte, so dass sie meinten in Räuberhände gefallen zu sein und einer nach dem andern um Pardon und Gnade schrie. Als sie aber ihren Feldwebel erkannten und von seiner Entdeckung hörten, da fassten sie sich zu sechs und sechs in die Arme und zogen den Helden voran in das Schloss hinein. Als sie auf den Schlosshof kamen, rief der Feldwebel: „Rangirt euch!“ aber prosit die Mahlzeit, die rangirten sich nicht eher, als bis sie im Saal waren, da exercirten sie mit Messer, Löffel und Gabel, dass es eine Art hatte und hieben in die Rinds- und Hammelsbraten ein, als ob sie die schlimmsten Feinde vor sich hätten. Es war auch eine wahre Lust, zu sehn, wie das Essen heranmarschirt kam; sowie eine Keule verzehrt war, stand schon wieder eine andere auf dem Tisch und war eine Flasche Wein leer, dann standen gleich zwei volle dafür da. Aber die besten Bissen kamen immer vor den Feldwebel, der sie dann stets brüderlich mit den andern Teilte. So saßen sie und tafelten und tranken so viel Gesundheiten, bis sie vor lauter Gesundheit nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand. Nur der Feldwebel hatte sich als ordentlicher Commandant tapfer gehalten, zwar scharf drein gehauen und manche Flasche ausgeblasen, aber er war bei voller Besinnung, so dass er die ganze Mannschaft in das Schlafzimmer bringen konnte, wo zwölf Betten in einer Reihe standen, recht wie in der Kaserne, nur dass über jedem Bett ein seidener Thronhimmel hing. Dann suchte er sein Kämmerchen auf, denn für ihn war ein Bett in einem besondern Zimmer zurecht gemacht und das war viel schöner, wie die andern. Als er so da stand und sich eben zum Schlaf rüsten wollte trat plötzlich eine schöne Jungfrau herein, die hatte ein goldnes Krönlein auf dem Haupte und trug ein goldgesticktes Kleid. Sie sprach freundlich: „Guten Abend, mein lieber getreuer Johannes Erlöser, ach wie lange habe ich auf dich geharrt! Du und deine zwölf Kameraden ihr sollt mich und zwölf andere Königstöchter erlösen, die alle in diesem Schloss verwünscht sind. Haltet ihr zwölf Jahre treu bei dem Schlosse aus und folgt ihr treulich meinem Rath, dann erlöset und gewinnt ihr uns zu euren Gemahlinnen. tut ihr es aber nicht, dann steht ihr euch selbst im Licht und es ist euer Verderben. Ihr dürfet hier im Schloss überall herumgehn, auch hinausziehn auf die Jagd und braucht euch keine Freude zu versagen, aber ihr dürft das Schloss nicht verlassen.“ Wie war der Feldwebel mit dem Versprechen so flott bei der Hand! Er wollte in seiner Freude darüber, dass er ein Prinz werden solle, der schönen Königstochter um den Hals fallen und sie drücken und herzen und küssen, aber sie wehrte ihm mit der Hand und da war er alsbald mäuschenstill. „Berühren darf uns keiner von euch“ sprach sie „sonst ist Alles verloren“ und sie grüßte den Feldwebel freundlich und verschwand.
    Am folgenden Morgen erzählte der Feldwebel der Mannschaft die ganze Geschichte und das war ein Jubel! Jeder eine Prinzeß, sie hätten sich vor lauter Freude zu Tode lachen und springen mögen. Aber wie die Menschen nun einmal sind, es dauerte nicht lange, da wurde es zweien von der Mannschaft zu langweilig, zwölf Jahre auf die Prinzessinnen zu warten und sie machten zusammen aus, sie wollten desertiren. Da kam am Abend die schöne Königstochter zu dem Feldwebel und sagte ihm den ganzen Plan, damit er ihn vereitle. „Fällt euch die Zeit so lang, dann sage mir,“ sprach sie, „wie lange ihr nach eurer Meinung schon hier seit.“ „Vierzehn Tage,“ antwortete der Feldwebel. „Du irrst sehr,“ sagte die Königstochter, „was dir nur vierzehn Tage dünken, sind vier ganzer Jahre.“ Am andern Morgen nahm der Feldwebel die Mannschaft vor, warnte sie alle vor der Desertion und sagte ihnen, wie die Zeit so schnell vergangen sei. Da waren sie sämmtlich wieder guter Dinge, aber wiederum nicht

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