Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
baten ihn, er möge ihnen etwas vom Seinigen geben. Das tat er auch gern, aber was er ihnen auch gab, wurde im selben Augenblick zu Stein. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als ihre Wagen mit Gold zu beladen und weg zu fahren, was sie auch noch am selben Tage taten.
So saß der gute Feldwebel allein auf dem einsamen Schloss und sah nur jeden Abend die schöne Königstochter. Mit der Zeit wurde es ihm jedoch allzu einsam und er wünschte sich wieder in die Welt zurück. Das bemerkte die Jungfrau alsbald und als sie Abends wieder zu ihm kam, sprach sie: „Ich sehe dir an, dass es dir hier nicht mehr gefällt; so gehe denn, wohin es dir beliebt. Zum Dank dafür, dass du so treu ausgehalten hast, schenke ich dir den Mantel, welcher dich hinträgt, wohin du willst und die Geldbörse, welche nie leer wird. Nun leb wohl und vergiss das Wiederkommen nicht.“ Der Feldwebel wollte ihr danken, sie war aber schon verschwunden; auf dem Tische lagen der Mantel und die Geldbörse.
Kaum war er am folgenden Morgen aufgestanden, als er auch schon seine Börse in den Sack steckte, den Mantel umhing und sich in die Hauptstadt von Spanien wünschte. Im selben Augenblick flog er durch die Luft daher, dass es rauschte und fünf Minuten drauf stand er vorm Tor der Hauptstadt. Da kief er sich alsbald prächtige Kleider und zog ins erste Wirtshaus der Stadt, welches hart neben dem Schloss des Königs lag. Er nahm Bediente in Menge an, kaufte Wagen und Pferde und führte ein Leben, wie der erste König und Kaiser der Welt.
Die königliche Familie ging täglich auf den Paradeplatz um dem Exerciren der Soldaten zuzusehn, und da war ein Kaufmann, der stellte ihr Stühle vor seine Thür, worauf der König und die Königin nebst der Prinzessin sich setzten, denn der König ritt nicht mehr, weil er zu alt war. Auch mein Feldwebel ritt oder fuhr jetzt alle Tage auf den Platz und das hatte seinen guten Grund: er war in die schöne Prinzessin verliebt. Eines Tages ging er in einen Laden und kaufte Tuch und zwar zwanzig Ellen, jede Elle zu zwanzig Goldstücken. Zufällig kam die Prinzessin dazu und verwunderte sich nicht wenig darüber, dass der Feldwebel so kostbares Tuch kaufte. Wie sie ihn so in der Nähe sah, da gefiel er ihr gar wohl und je länger sie ihn ansah, um so schöner kam er ihr vor. Er war aber auch ein schöner Mann und nun vollends in seiner Prinzenmontur, ach die stand ihm zu gut. Sobald die Prinzessin nach Hause kam, bat sie ihren Vater, er möge den schönen Prinzen doch einmal zur Tafel einladen. Das geschah und kurz und gut, der Feldwebel und die Prinzessin gefielen sich immer besser, bis sie sich endlich heirateten. Das gab eine Hochzeit! Etwas Schöneres als das Brautkleid ist nie gesehn worden. Daran haben hundert Stickerinnen Jahr und Tag gearbeitet.
Die jungen Eheleute lebten recht glücklich zusammen und der Himmel segnete sie so, dass sie alle Jahr zwei Buben bekamen und im Herbst noch einen Spätling, bis es ihrer zwölf waren. Alle wurden gleich wie sie auf der Welt waren, zu Feldwebeln ernannt und in die Montur gesteckt. Sobald sie laufen konnten, lernten sie exerciren und gingen sie jeden Tag mit auf die Wachtparade, welcher der Feldwebel stets beiwohnte, denn er war Soldat von Kopf bis zu Fuß. Als der neunte Bub eben auf die Welt kam, starb der alte König und die Königin überlebte ihn nicht lange. Der Feldwebel wurde also zum König gekrönt und war bald so geliebt, dass jedermann im Volke sich für ihn hätte totschlagen lassen.
Als er eines Tages mit seiner Familie wieder auf der Wachtparade war, kam ein Kerl in Lumpen daher und bettelte ihn an. Er gab ihm ein groß Stück Geld, als er ihm dabei aber unter die Augen sah, erkannte er ihn sogleich: es war nämlich einer von seiner alten Mannschaft. Am folgenden Tage kam wieder einer und so ging es fort, bis sie alle zwölf da waren und jeden Tag bettelten. Da ließ er sie zu sich bescheiden und als sie zitternd und zagend vor ihm standen, weil sie nicht anders glaubten, als der König wolle sie wegen ihres Bettelns hernehmen, gab er sich ihnen zu erkennen. Das gab lange Gesichter und große Augen! Nachdem er ihnen erzählt hatte, wie er es bis zum König gebracht, fingen sie auch an zu erzählen, wie sie es von steinreichen Leuten zu elenden Lumpen gebracht und Alles verliederlicht hatten. Endlich verlangten sie von ihm, er müsse sie wieder in das Schloss führen, sie wollten jetzt die Prinzessinnen erlösen. „Dazu rathe ich euch nicht,“ sprach
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