Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Könige lag, küsste ihn nicht sondern reichte ihm bloß ihre Hand und dankte ihm unter bittern Tränen, denn sie liebte ihn so sehr. Jetzt war der Jubel groß und wollte kein Ende nehmen. Während die Prinzen mit ihren Bräuten in dem Schlosse herum gingen, setzte sich der König auf seinen Mantel und flog nach Hause, um seiner Gemahlin Alles zu erzählen, aber ach, da kam er in Jammer und Leid, denn am Tage vorher hatte die Königin ausfahren wollen und war aus dem Wagen gestürzt; die Pferde waren scheu geworden und sie kam unter die Räder, welche ihr über Hals und Brust fuhren. So traf er seine liebe Frau als Leiche wieder. Er betrauerte sie tief ein ganzes Jahr lang, dann vermählte er sich mit der wunderschönen Königstochter, die er erlöst hatte und die Prinzen heirateten zugleich ihre zwölf Bräute, deren jede ein Königreich als Mitgabe von ihren Eltern erhielt.
Der Pfiffigste
Ein Kaufmann hatte einen Sohn, der war sehr verzogen und gewohnt, nur seinem eignen Willen zu folgen. Als er fünfundzwanzig Jahr alt war, schickte sein Vater ihn nach London um dort die Kaufmannschaft noch besser zu lernen, denn dort giebt es viele und überaus reiche Kaufleute. In London ging der Jüngling eines Abends über die Straße, da begegnete ihm ein wohlgekleidetes Mädchen, welches ein Bündel Holz trug; sie war aber so schön, dass ihr Gesicht ordentlich leuchtete und der Jüngling von der glühendsten Liebe zu ihr entbrannte. Er folgte ihr durch viele Straßen bis in ein enges finsteres Gäßchen, da trat sie in ein kleines düsteres Haus. Der Jüngling lauschte am Fenster und sah, wie sie ihr Bündel neben den Heerd hinlegte, ihrer kranken Mutter, die auf einem schlechten Strohsack in der Ecke lag, Arznei gab und das Feuer schürte, dass die Flamme hoch aufschlug. Als die rote Helle ihr Angesicht beleuchtete, da dünkte es ihm noch viel schöner, er trat in das Haus, bekannte ihr seine Liebe und bat sie um ihre Hand. Da er nun auch gar schön war und sie wohl merkte, dass es ihm Ernst sei, sprach sie: „Ich will dir gerne folgen und dir treu sein ewiglich, wenn ich nur meine Mutter nicht verlassen muss.“ „Was dein ist das ist mein,“ sprach der Jüngling, „deine Mutter ist meine Mutter und sie soll es gut haben ihr Lebtag.“
Am andern Tage schrieb er seinem Vater Alles, wie es sich zugetragen hatte und der alte Kaufmann musste wohl einwilligen, obgleich er es nicht allzu gerne tat, denn er hatte schon ein reiches Mädchen für seinen Sohn in Aussicht. Die Hochzeit wurde feierlich gehalten, dann fing der Jüngling ein Geschäft für sich an und machte so guten Handel, dass er in kurzer Zeit steinreich wurde.
Die andern Kaufleute, welche nur ums Geld geHeirathet und fast alle hässliche Frauen hatten, beneideten ihn aber um seine schöne Frau und konnten gar nicht sehen, dass er so glücklich mit ihr war. Eines Abends sagte einer von ihnen, ein recht schlechter Mensch der zu Allem fähig war, in einer Gesellschaft, wo die Kaufleute zusammenkamen: „Glaubst du wohl, du hättest deine Frau allein und sie sei dir getreu?“ „Ja das glaube ich sicher und fest,“ erwiederte er. „Ich wette mein Vermögen gegen das deine,“ sprach der Andere, „sie bleibt dir nicht treu, wenn du nur vier Tage auf Reisen gehst.“ „Die Wette gilt,“ rief der junge Kaufmann lachend, denn er kannte seine Frau, „ich gehe gleich morgen auf Reise und bleibe selbst acht Tage aus.“
Als er seiner jungen Frau zu Hause von der Wette erzählte, lachte sie herzlich mit ihm und sprach: „Dem scheint sein Vermögen leicht feil. Gehe du nur ruhig auf Reise, du hast die Wette schon gewonnen.“
Es war in der Stadt eine Magd, welche früher bei dem jungen Kaufmann gedient hatte und der Frau sehr lieb geworden war; nun diente sie anderswo. Der falsche Kaufmann ging zu ihr und bot ihr tausend Gulden, wenn sie die junge Frau bewege, ihre Kleiderkiste in Verwahr zu nehmen und eine Nacht in ihrem Schlafzimmer stehen zu lassen. Die Magd willigte ein, denn sie sah nichts Schlimmes darin und die tausend Gulden stachen ihr sehr in die Augen. Sie ging zu der Frau und sprach, sie habe all ihre Ersparnisse in ihrer Kiste, wolle jetzt ihren Dienst verlassen und wisse nicht wohin sie die Kiste stelle; ob sie dieselbe nicht auf nur eine Nacht in ihr Schlafzimmer stellen könne. Die arglose Frau war dessen gern zufrieden und sprach: „Bringe sie nur am Abend, ich stelle sie neben mein Bett, da kann Niemand dran.“ Als die Magd dieß dem
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