Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
angesagt!)
Endlich als der König nun schon gar weit umhergereist ist und keine getroffen hat ohne Fleck, kommt er eines Abends spät vor ein Dorf. An dessen Ende auf der Anhöhe vor dem Orte sieht er schon von Ferne ein Licht brennen, geht darauf zu und bittet um ein Nachtquartier, was ihm auch mit Freuden gewährt wird. In diesem Hause aber hat der Dorfhirte gewohnt, der hat eine Tochter gehabt von achtzehn Jahren. Die Leute tragen Milch und Brot auf, das schmeckt dem König, der sehr ermüdet gewesen ist, sehr köstlich. Da tritt die Tochter des Hirten herein, die war so wunderschön von Antlitz und Gestalt, und der König verliebte sich in sie. In der Frühe des andern Morgens, noch ehe der Hirt aufgestanden ist, um das Vieh auszutreiben, blickt er schon in seinen Spiegel und, siehe da! der Spiegel zeigt ihm, dass die Schönheit der Hirtentochter fleckenlos ist. Da hält er sogleich bei dem Hirten um sie an und bittet, dass dieser seine Tochter mit ihm ziehen lassen möge. Der Hirt glaubt anfangs, der König wolle seiner spotten, der aber versichert, dass er seine Tochter ehren und lieben werde, und dass er deshalb keine Sorge zu tragen brauche.
Da gibt der Hirt ihnen den Segen und sie gehen miteinander in das Schloss zum König der toten. Der nimmt die Hirtentochter bei der Hand, führt sie in die Gemächer seines Hauses ein und spricht: „Jetzt, o König, gehe wieder hin und grabe den Schatz vollständig auf.“
Und siehe! wie der junge König wieder auf den Platz kommt, vermag er die Bohlen mit leichter Mühe zu heben, als ob es Federn gewesen wären. Als er sie abgeworfen hat, steigt er in ein Gewölbe, das die Bohlen verdeckt haben und das Gewölbe glänzt von Gold, Silber und Edelgestein. In dem Gewölbe aber steht auch ein kleiner kostbarer Tisch, darauf liegt ein Schlüssel und ein kleines sauberes Briefchen. Der junge König erbricht den Brief und darin steht geschrieben, alles Gold, Silber und Edelgestein in diesem Gewölbe sei für ihn aufgehoben, einen noch größern Schatz aber werde er finden, wenn er mit dem Schlüssel, der auf dem Tische läge, die Thür aufschlösse, die er in dem Gewölbe sähe.
Der junge König küsste diesen Brief, den sein Vater vor seinem Ende an ihn geschrieben hatte, nahm den Schlüssel und Schloss die Thür auf.
Sowie er in das Zimmer eintritt, sieht er da die sechs goldenen Frauenbilder stehen, die nun ihm gehören und gar prächtig glänzen. Mancher Mann, der hier hergeführt wäre, hätte gewiss geglaubt, etwas Schöneres gäbe es nicht auf der ganzen Welt, denn schon Manchen hat das Gold auf Erden verblendet. Und so stand auch der Königssohn einen Augenblick wie geblendet vor den goldenen Frauenbildern, die mehr werth waren denn alle die Schätze seines Reichs, und die ihn anschauten, als würben sechs stolze Königstöchter um seine Gunst und jede wollte ihm ein ganzes Königreich zubringen mit ihrer kalten Hand.
In demselben Augenblicke aber öffnet sich auch eine andere Thür desselben Zimmers und durch diese tritt der König der toten ein. Er führt die Hirtentochter am Arm und spricht zu dem jungen König: „Hier, o König, empfange zu den sechs goldenen Frauenbildern das siebente Frauenbild, und freue dich mit ihm, denn es ist viel schöner als sie.“ Da empfing der junge König seine Gattin aus der Hand des Königs der toten und pries die Weisheit seines Vaters, weil er das lebende Frauenbild weit über die sechs goldenen gesetzt und ihm die sechs goldenen Bilder erst für die Zeit bestimmt hatte, wo er das lebende gefunden hatte. Nun heiratete er die Hirtentochter und nahm die sechs goldenen Frauenbilder als Hoffräulein mit zu Hofe.
Gevatter Tod
Es ist einmal ein Mann gewesen, dessen Frau kommt nieder mit ihrem siebenten Kinde. Nun ist aber dieser Mann sehr arm gewesen, und deshalb hat keiner auf dem breiten Steine stehen und bei dem Kinde Gevatter sein wollen, und er hat nicht gewußt, wovon er die Kosten der Taufe bezahlen soll. Da geht er betrübt in den Wald. Auf einmal bietet ihm Einer die Zeit und fragt ihn, was ihm fehle. Ach, das möchte er Keinem sagen; es wolle ihm ja doch Keiner helfen. „Nun, warum denn nicht? Er solle ihm sein Anliegen offenbaren, vielleicht könne er ihm doch helfen.“ Da sagt er es denn, dass seine Frau mit dem siebenten Kinde niedergekommen sei und dass er kein Vermögen habe, es taufen zu lassen, und dass diesmal Niemand auf dem breiten Steine stehen wolle seiner Armut wegen. Der Fremde scheine ihm ein
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