Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
das wird ihr gefallen, wir wollen damit hinfahren und unser Glück versuchen.“ Der König hieß alle Goldschmiede herbeiholen, die mussten Tag und Nacht arbeiten, bis endlich die herrlichsten Dinge fertig waren. Als alles auf ein Schiff geladen war, zog der getreue Johannes Kaufmannskleider an, und der König musste ein Gleiches tun, um sich ganz unkenntlich zu machen. Dann fuhren sie über das Meer, und fuhren so lange, bis sie zu der Stadt kamen, worin die Königstochter vom goldenen Dache wohnte.
Der treue Johannes hieß den König auf dem Schiffe zurückbleiben und auf ihn warten. „Vielleicht“, sprach er, „bring ich die Königstochter mit, darum sorgt dass alles in Ordnung ist, lasst die Goldgefäße aufstellen und das ganze Schiff ausschmücken.“ Darauf suchte er sich in sein Schürzchen allerlei von den Goldsachen zusammen, stieg ans Land und ging gerade nach dem königlichen Schloss. Als er in den Schlosshof kam, stand da beim Brunnen ein schönes Mädchen, das hatte zwei goldene Eimer in der Hand und schöpfte damit. Und als es das blinkende Wasser forttragen wollte und sich umdrehte, sah es den fremden Mann und fragte wer er wäre? Da antwortete er „ich bin ein Kaufmann“, und öffnete sein Schürzchen und ließ sie hineinschauen. Da rief sie „ei, was für schönes Goldzeug!“, setzte die Eimer nieder und betrachtete eins nach dem andern. Da sprach das Mädchen „das muss die Königstochter sehen, die hat so große Freude an den Goldsachen, dass sie euch alles abkauft.“ Es nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinauf, denn es war die Kammerjungfer. Als die Königstochter die Waare sah, war sie ganz vergnügt und sprach „es ist so schön gearbeitet, dass ich dir alles abkaufen will.“ Aber der getreue Johannes sprach „ich bin nur der Diener von einem reichen Kaufmann: Was ich hier habe, ist nichts gegen das, was mein Herr auf seinem Schiff stehen hat, und das ist das Künstlichste und Köstlichste, was je in Gold ist gearbeitet worden.“ Sie wollte alles herauf gebracht haben, aber er sprach „dazu gehören viele Tage, so groß ist die Menge, und so viel Platz, um es aufzustellen, dass euer Haus nicht groß genug dafür ist.“ Da ward ihre Neugierde und Lust immer mehr angeregt, so dass sie endlich sagte „führe mich hin zu dem Schiff, ich will selbst hingehen und deines Herrn Schätze betrachten.“
Da führte sie der getreue Johannes zu dem Schiffe hin und war ganz freudig, und der König, als er sie erblickte, sah dass ihre Schönheit noch größer war, als das Bild sie dargestellt hatte, und meinte nicht anders, als das Herz wollte ihm zerspringen. Nun stieg sie in das Schiff, und der König führte sie hinein; der getreue Johannes aber blieb zurück bei dem Steuermann und hieß das Schiff abstoßen, „spannt alle Segel auf, dass es fliegt wie ein Vogel in der Luft.“ Der König aber zeigte ihr drinnen das goldene Geschirr, jedes einzeln, die Schüsseln, Becher, Näpfe, die Vögel, das Gewild und die wunderbaren Tiere. Viele Stunden gingen herum, während sie alles besah, und in ihrer Freude merkte sie nicht dass das Schiff dahin fuhr. Nachdem sie das letzte betrachtet hatte, dankte sie dem Kaufmann und wollte heim, als sie aber an des Schiffes Rand kam, sah sie dass es fern vom Land auf hohem Meere ging und mit vollen Segeln forteilte. „Ach“, rief sie erschrocken, „ich bin betrogen, ich bin entführt und in die Gewalt eines Kaufmanns geraten; lieber wollt ich sterben!“ Der König aber fasste sie bei der Hand und sprach „ein Kaufmann bin ich nicht, ich bin ein König und nicht geringer an Geburt als du bist: Aber dass ich dich mit List entführt habe, das ist aus übergroßer Liebe geschehen. Das erstemal, als ich dein Bildnis gesehen habe, bin ich ohnmächtig zur Erde gefallen.“ Als die Königstochter vom goldenen Dache das hörte, ward sie getröstet, und ihr Herz ward ihm geneigt, so dass sie gerne einwilligte, seine Gemahlin zu werden.
Es trug sich aber zu, während sie auf dem hohen Meere dahin fuhren, dass der getreue Johannes, als er vorn auf dem Schiffe saß und Musik machte, in der Luft drei Raben erblickte, die daher geflogen kamen. Da hörte er auf zu spielen und horchte was sie mit einander sprachen, denn er verstand das wohl. Die eine rief „ei, da führt er die Königstochter vom goldenen Dache heim.“ „Ja“, antwortete die zweite, „er hat sie noch nicht.“ Sprach die dritte „er hat sie doch, sie sitzt bei ihm im Schiffe.“ Da fing die
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