Das grosse Muminbuch
auf und öffnete wieder die Tür. «Ninni», rief sie hinaus ins Dunkel.
Ein frischer kühler Herbstgeruch drang in die Veranda hinein, und ein rechteckiges Lichtfeld fiel auf das feuchte Gras. Nach einem Weilchen fing draußen ein Glöckchen an zu klingeln, zögernd. Der Ton kam die Treppe hinauf, verstummte.
Ein Stückchen über dem Fußboden hing an einem schwarzen Bändchen ein Silberglöckchen in der Luft. Ninni musste einen sehr dünnen Hals haben.
«Nun, Ninni, hier ist deine neue Familie», sagte Tuuticki. «Sie sind manchmal ein bisschen verrückt, aber eigentlich recht lieb und gut.»
«Gib dem Kind einen Stuhl», sagte der Vater. «Kann es Pilze putzen?»
«Ich weiß nichts von Ninni», erklärte Tuuticki. «Ich habe sie nur hergebracht und muss jetzt etwas erledigen. Kommt doch mal bei mir vorbei und erzählt, wie alles geht. Hej!»
Nachdem Tuuticki gegangen war, saß die Familie mäuschenstill da und schaute den leeren Stuhl an und das silberne Glöckchen. Nach einem Weilchen stieg langsam einer von den Pfifferlingen in die Luft. Nadeln und Erde wurden von unsichtbaren Pfoten abgekratzt, und schließlich wurde der Pilz in kleine Stückchen zerschnitten, die in den Kochtopf schwebten. Ein neuer Pilz segelte durch die Luft.
«Aufregend!»sagte My beeindruckt. «Gebt ihr doch mal was zu essen. Ich möchte wissen, ob man sehen kann, wie es in den Bauch hineinfährt.»
«Wisst ihr denn nicht, wie man sie wieder sichtbar machen kann?» rief der Vater besorgt. «Ob man zu einem Arzt gehen sollte?»
«Das glaube ich nicht», sagte die Mutter. «Vielleicht möchte sie ein Weilchen unsichtbar sein. Tuuticki hat gesagt, sie sei schüchtern. Ich glaube, wir lassen das Kind am besten in Ruhe, bis wir wissen, was wir tun können.»
So geschah es.
Die Mutter bereitete für Ninni das Bett in der nach Osten hegenden Bodenkammer, die gerade leerstand. Das Silberglöckchen klingelte hinter ihr her, als sie die Treppe hinaufging, es erinnerte die Mutter an die Katze, die einmal bei ihr gewohnt hatte.
Neben dem Bett baute die Mutter den Apfel, das Saftglas und die drei karierten Bonbons auf, die jeder bekam, bevor er schlafen ging.
Sie zündete eine Kerze an und sagte:
«Jetzt schläfst du, Ninni. Schlaf, solange es geht. Ich stelle morgen den Kaffee unter die Kaffeemütze, damit er sich warm hält. Und wenn du dich fürchtest, Ninni, oder etwas möchtest, dann kommst du nur herunter und klingelst.»
Die Mutter sah, wie die Decke sich nach oben bewegte und zu einer sehr kleinen Erhebung ausbuchtete. In dem Kissen entstand eine Grube.
Die Muminmutter ging hinab und holte Großmutters altes Buch hervor: «Unfehlbare Hausmittel». Das Böse Auge. Mittel gegen Melancholie. Erkältung. Nein. Die Mutter blätterte und suchte. Schließlich fand sie am Ende eine Aufzeichnung, die die Großmutter gemacht hatte, als ihre Schrift schon ziemlich undeutlich war. «Falls jemand verschwimmt und schwierig zu sehen ist.» Welch ein Glück!
Die Mutter las das Rezept durch, es war kompliziert. Dann begann sie, für die kleine Ninni ein Hausmittel zusammenzubrauen.
Das Glöckchen kam die Treppe hinuntergeklingelt, immer ein Schrittchen, dann eine kleine Pause zwischen jedem Schritt.
Mumintroll hatte den ganzen Morgen darauf gewartet. Aber heute war nicht das Silberglöckchen das Aufregendste! Es waren die Pfoten. Ninnis Pfoten kamen die Treppe heruntergeklettert, sehr kleine Pfoten und mit ängstlichen kleinen Zehen, die sich eng aneinander hielten. Nur die Pfoten konnte man sehen, und das sah schrecklich aus!
Mumintroll versteckte sich hinter dem Kachelofen und staunte verhext die Pfoten an, die auf die Veranda hinausgingen. Jetzt trank sie Kaffee. Die Tasse wurde hochgehoben und niedergesetzt. Sie aß Butterbrot mit Marmelade. Die Tasse segelte allein in die Küche hinaus, wurde abgespült und in den Schrank gestellt. Ninni war ein sehr ordentliches kleines Kind.
Mumintroll raste hinaus in den Garten und schrie: «Mama! Sie hat Pfoten bekommen. Die Pfoten sind zu sehen!»
«Hab' ich mir's doch gedacht», murmelte die Mutter oben im Apfelbaum. «Die Großmutter, die verstand etwas! War doch schlau von mir, das Hausmittel in den Kaffee zu mischen.»
«Ausgezeichnet», sagte der Vater. «Und noch besser wird es, wenn sie das Schnäuzchen zeigt! Irgendwie werde ich melancholisch, wenn ich mit jemandem rede, den ich nicht sehen kann. Und der nicht antwortet.»
«Psst», antwortete die Mutter warnend.
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