Das grosse Muminbuch
dachte, der Mond nimmt ab. Das Seepferdchen kommt lange nicht zurück.
Vielleicht war er auch darüber mehr erleichtert als enttäuscht. Sich jetzt ein schönes Gespräch vorstellen und sich daran erinnern wie es aussah! Und er brauchte nicht mehr auf die Morra böse zu sein. Sie konnte sich die Laterne anschauen, soviel sie Lust hatte. Mumintroll redete sich ein, dass er in den Nächten mit der Sturmlaterne aus rein praktischen Gründen an den Strand ging. Es war, weil er die Morra daran hindern wollte, bis zum Leuchtturm hinaufzukommen, damit die Rosen der Mutter nicht erfroren. Es war, weil die Familie sie nicht entdecken sollte. Und schließlich, weil er ihr Heulen nicht hören wollte.
Jede Nacht stellte Mumintroll die brennende Laterne in den Sand, stand und gähnte, bis die Morra mit dem Ansehen fertig war. Sie folgte jetzt ihrem eigenen Ritual, das mit der Lampe zusammengehörte. Nachdem sie eine Weile gestarrt hatte, begann sie zu singen. Es musste ein Lied vorstellen. Ein Jaulen, ein jammernder dünner Ton, der überall eindrang, bis man meinte, man habe ihn im Kopf, hinter den Augen, im Bauch. Gleichzeitig wiegte sie sich hin und zurück, langsam und schwer, flatterte mit ihren Röcken auf und ab, die zerknüllten Fledermausflügeln glichen: Die Morra tanzte.
Es war deutlich, dass die Morra sehr zufrieden war. Das etwas lächerliche Ritual war für Mumintroll irgendwie wichtig geworden. Er hatte vor, es beizubehalten, mochte die Insel tun, was sie wollte.
Und die Insel wurde immer unruhiger. Die Bäume flüsterten und zitterten, Schauer liefen durch das Rauschbeerenlaub gleich Meereswogen. Der Strandhafer raschelte und legte sich flach hin, er versuchte, sich selbst zu entwurzeln und zu fliehen. Und gerade heute Nacht hatte Mumintroll etwas gesehen, was ihm Furcht einflößte.
Es war der Sand. Der Sand begann zu wandern. Er sah es ganz deutlich, er kroch vor der Morra weg. Er kroch ängstlich in glitzerndem Gedränge, weg von ihren großen tanzenden Pfoten, die den Boden zu Eis stampften.
Da nahm Mumintroll seine Lampe und stürzte Hals über Kopf in sein Gestrüppwäldchen durch den Alarmtunnel. Er fuhr in den Schlafsack hinein, zog den Reißverschluss hoch und versuchte zu schlafen. Aber wie fest er die Augen auch schloss, er sah immer wieder, wie der Sand ins Wasser hinabkroch.
Am nächsten Tag grub die Mutter aus dem harten sandigen Boden vier wilde Rosenbüsche aus. Es waren Sträucher, deren Wurzeln sich mit erschreckender Geduld zwischen den Steinen entlangwanden, und die ihre Blätter in einem untertänigen Teppich über den Berg gebreitet hatten.
Rosa Rosen an einem grauen Berg, das würde wunderbar aussehen, meinte die Mutter. Vielleicht hatte sie es sich nicht so genau überlegt, als sie die Sträucher in ihren braunen Garten setzte. Dort standen sie in Reihen und sahen beunruhigt aus. Die Mutter gab jedem eine Hand voll Erde von zu Hause, begoss sie und setzte sich ein Weilchen neben sie.
Gerade da kam der Vater angelaufen, mit Augen, die schwarz waren vor Erregung, und er schrie, der Kolk. Er atmet. Beeil dich. Komm und sieh ihn dir an. Dann kehrte er um und rannte zurück. Die Mutter stand auf und folgte ihm verständnislos. Doch der Vater hatte Recht. Der dunkle Wasserspiegel hob und senkte sich langsam, der Kolk atmete.
Die Kleine My kam über den Berg gerannt. Aha, sagte sie, jetzt geht es los. Die Insel ist lebendig geworden, das habe ich schon lange gewusst.
Sei nicht kindisch, sagte der Vater. Kann eine Insel lebendig werden? ... Es ist das Meer, das Meer ist lebendig ... Er schwieg und schlug beide Pfoten vor die Nase.
Was ist los, fragte die Mutter ängstlich.
Ich weiß nicht recht, sagte der Vater. Ich habe nicht zu Ende gedacht... mir kam nur eine Idee - jetzt ist sie wieder weg. Er nahm das Wachstuchheft und wanderte mit gerunzelter Stirn über den Berg.
Die Mutter schaute mit tiefem Unbehagen in den Kolk hinab. Ich glaube, sagte sie, ich glaube, jetzt ist es allmählich an der Zeit für einen richtigen Ausflug irgendwohin. Mit Butterbrotpaketen.
Sie ging schnurstracks zum Leuchtturm zurück, um den Ausflug vorzubereiten. Nachdem die Mutter alles Nötige eingepackt hatte, öffnete sie das Fenster und schlug den Gong. Sie stand oben und sah, wie sie alle angerannt kamen, und sie schämte sich nicht ein bisschen, obwohl sie wusste, dass der Gong der Insel nur als Alarmsignal benutzt werden durfte.
Nun standen der Vater und Mumintroll dort unten und
Weitere Kostenlose Bücher