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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Keller, um mich nach so schwer wiegenden Gedanken betrinken zu können.«
    »Was glauben Sie, wieso Jesus Wasser in Wein verwandeln musste?«
     
    Am 22. Dezember 1719 wurde John Law in einer feierlichen Messe in die römisch-katholische Kirche aufgenommen. Die christliche Zeremonie leitete der ehrgeizige Abbe de Tencin, der Bruder seiner nicht minder geschäftstüchtigen Schwester Claudine. John Law kniete vor Abbe de Tencin und empfing die Taufe, den römischkatholischen Segen, den Heiligen Geist und das gesamte Programm, das der Neu-Mississippianer Abbe de Tencin zu bieten hatte. Er überreichte John Law die geweihte Hostie mit den Worten »Corpus Christi«, und unwillkürlich fühlte sich John Law an die Schilderungen von Crozat le Riehe erinnert, der ihm erzählt hatte, dass einige Eingeborenenstämme in den Sümpfen von Louisiana eine Form des Kannibalismus praktizierten. Und jetzt kniete er hier und verspeiste den Leib eines Mensch gewordenen Gottes.
     
    Junge Knaben mit rührenden Unschuldsmienen knieten in ihren adretten Ministrantentuniken auf kleinen samtroten Kissen und schwenkten Weihrauchgefäße, wie es schon die alten Römer bei der Anbetung ihrer zahlreichen Götter getan hatten. Und dann erklang die mächtige Orgel, und die Gläubigen preisten den Herrn aus voller Kehle, während der Abbe de Tencin John Law den Kelch hinunterreichte: »Corpus Christi.«
    John Law glaubte den Anflug eines Schmunzelns im Gesicht des Abbes zu erkennen, als er den Wein in wenigen Zügen leer trank und dabei skeptisch über den Rand des Kelches hinausschielte. Wahrscheinlich dachte der Abbe in diesem Augenblick auch an den Trank, den seine Schwester Claudine dem zukünftigen Generalkontrolleur der Finanzen in jener staubigen Dachkammer angeboten hatte. Als John Law sich wieder erhob und die Stufen zum Mittelschiff hinunterstieg, sah er das verschmitzte Lächeln von Claudine de Tencin, er sah das steinerne Gesicht von Catherine, die wahrscheinlich das eine oder andere Gerücht vernommen hatte, und er sah die Gläubigen und Ungläubigen, die vermögenden Händler, die Großgrundbesitzer, die Adligen und Nichtadligen, und sie alle waren - Mississippianer geworden.

Kapitel XIV
    John Law verhielt sich absolut still. Er saß auf einem Stuhl von spröder Eleganz, dessen bestickter Bezug mit Szenen aus Fabeln geschmückt war. Im Hintergrund zierte ein Panoramagemälde, das Handelsschiffe an der Küste von Louisiana darstellte, die Wand. John Law saß dem berühmten Maler Hyacinthe Rigaud Modell. Er trug zu diesem denkwürdigen Anlass Rock, Weste und Kniebundhosen in freundlichen Brauntönen, dazu ein weißes Hemd mit Spitzenmanschetten. Rock und Weste waren mit transparenten, blau facettierten Glassteinen verziert. Am Kniebund der Hose glänzten vergoldete Schnallen. Unter den Schößen der Weste prangte eine aufgeklappte goldene Uhr an einer Kette. Die schulterlange Allongeperücke trug der achtundvierzigjährige Schotte grau gepudert, seinem Alter entsprechend. Und um den Hals hing die Medaille des Generalkontrolleurs der Finanzen, die ihm der Regent an diesem Tag verliehen hatte. Bisher war John Law nur der reichste Mann der Welt gewesen, jetzt, als Finanzminister der größten europäischen Nation, war er auch der mächtigste.
    Die Porträtierung des neuen Generalkontrolleurs der Finanzen war ein öffentlicher Akt. Fast hundert Menschen waren anwesend, drängten in den Saal der Mississippi-Kompanie, wie einstmals die Menschen zum Petit Lever des Sonnenkönigs geeilt waren.
    Doch John Law war kein König. Weder König noch Papst. Er verkörperte eine dritte Kraft, die Wissenschaft. Er war der Mann, der das Geld neu erfunden hatte. Er war der Mann, der das monetäre System entwickelte, auf dem auch Jahrhunderte später die gesamte Weltwirtschaft fußen sollte.
    Während Hyacinthe Rigaud seine Farben mischte und mit großem Kunstsinn auf die Leinwand brachte, betraten immer wieder Angelini und seine Hilfssekretäre durch eine Seitentür den Saal und holten sich bei John Law Anweisungen. John verzog dabei kaum eine Miene. Nur einmal konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mit einem Augenblinzeln gab ei Angelini sein Einverständnis.
    »Mesdames, Messieurs«, verkündete Angelini darauf dem andächtig beobachtenden Publikum, »soeben hat die Mississippi-Aktie die magische Marke von zehntausend Livre überschritten. Somit ist unsere Aktie in nur wenigen Monaten um das Zwanzigfache gestiegen.«
    Die Gäste applaudierten,

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